Die Direktorin der Forschungsabteilung am Nato-College in Rom, Florence Gaub, warnt vor der Zermürbungstaktik des russischen Präsidenten Wladimir Putin, die in Deutschland besonders wirksam sein könnte. Gaub erklärte gegenüber dem „Stern“, dass sich Deutschland im Vergleich zu Finnland, Polen und Frankreich nach 1990 in einem Zustand des „totalen Sicherheitsgefühls“ befunden habe. Dieser Zustand – geprägt von Frieden, Kapitalismus und Demokratie – mache den aktuellen Bruch umso brutaler, den sie als „allergischen Schock“ beschreibt.
Nach Ansicht der Expertin fehle es in Deutschland an der „mentalen Fähigkeit, sich mit Krieg und Krisen auseinanderzusetzen“. Wladimir Putin, der die deutsche Mentalität gut kenne, nutze diese Schwäche gezielt aus. Er setze auf die verbreitete Angst und das Gefühl der Hilflosigkeit in der deutschen Bevölkerung.
Gaub kritisiert, dass die aktuelle politische Debatte, die sich vorrangig um Waffen und Soldaten drehe, am eigentlichen Thema vorbeigehe. Sie betont die Notwendigkeit, sich mit grundlegenderen Fragen auseinanderzusetzen: „Für welches Deutschland lohnt es sich zu kämpfen, für was wäre ich bereit zu sterben? Darüber müssen wir reden.“ Die Militär-Expertin, die selbst Majorin der französischen Armee war, erklärte ihre eigene Bereitschaft, im Kriegsfall an vorderster Front zu kämpfen.
Sie begründete dies mit der Angst um ihre Familie und Freunde: „Das Schlimmste, was mir passieren kann, wäre, Familie oder Freunde zu verlieren. Das macht mir am meisten Angst. Ich bin jetzt 48, aber meine Nichten und Neffen haben noch viel mehr Zukunft vor sich. Für sie würde ich alles tun. Sie würden doch auch für Ihre Kinder sterben.“ Auf die Frage nach Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) in Bezug auf den Konflikt mit Russland lobte Gaub ihn als nicht angstgesteuert. Er habe „keine Berührungsangst mit dem Militär und auch nicht damit, dass es kracht.“
(Mit Material der dts Nachrichtenagentur erstellt)
