Der Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) im Arbeitsmarkt führt bislang zu weniger Verwerfungen als angenommen. Ökonom Anders Humlum von der University of Chicago erklärte gegenüber dem „Spiegel“, dass die Technik, obwohl sie in der Mehrheit der Unternehmen angekommen sei, sich „nicht negativ auf die Beschäftigung aus“ wirke. Er sieht keine Anzeichen dafür, „dass wir direkt in einen Abgrund steuern„.
Humlum hat gemeinsam mit seiner Kollegin Emilie Vestergaard umfangreiche Arbeitsmarktdaten aus Dänemark analysiert, um die Auswirkungen von KI zu untersuchen. Dänemark ist aufgrund seiner detaillierten Daten für Forschung im Bereich der Arbeitsmarktökonomie besonders attraktiv.
Die Untersuchungen zeigen, dass Chatbots zwar im Arbeitsalltag vieler Menschen Einzug gehalten haben und 43 Prozent der Mitarbeiter von ihren Chefs zur Nutzung ermutigt werden. Wirtschaftlich scheinen diese Programme jedoch kaum einen Unterschied zu machen. Befragte geben an, durch KI im Durchschnitt lediglich 2,8 Prozent ihrer Arbeitszeit einzusparen. Humlum zieht daraus den Schluss: „KI führt weder zu Einstellungswellen noch zu einer massenhaften Verdrängung von Arbeitnehmern.“
Diese Ergebnisse stehen im Kontrast zu einer Studie der Stanford University, die Ende August weltweit für Aufsehen sorgte. Forscher um den KI-Experten Erik Brynjolfsson äußerten darin die Besorgnis, dass KI bereits massenhaft Einsteigerjobs von jungen Akademikern vernichten würde, insbesondere in leicht durch KI automatisierbaren Bereichen wie der Software-Entwicklung.
Humlum hat jedoch festgestellt, dass sich ähnliche Muster, wie die Verschlechterung der Jobchancen für Berufseinsteiger, auch am dänischen Arbeitsmarkt zeigen. Dies betrifft sowohl Firmen, die KI massiv einsetzen, als auch solche, die darauf weitgehend verzichten. Daraus schließt der Ökonom, „dass die Ursache eine andere sein muss als KI.“
Enzo Weber vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung teilt diese Ansicht. In Deutschland seien die Stellen für Fachkräfte seit 2019 zwar leicht rückläufig. Dies sei jedoch mit der damals einsetzenden Industriekrise verbunden. Auch die erhöhte Jugendarbeitslosigkeit in Deutschland habe andere Gründe: Junge Menschen seien stark auf neu entstehende Stellen angewiesen, die nach Jahren der Stagnation jedoch selten seien. Weber konstatiert: „Die Jungen leiden nicht unter der KI, sondern unter der Erneuerungskrise der deutschen Wirtschaft.“
(Mit Material der dts Nachrichtenagentur erstellt)