Prof. Dr. Uwe Spetzger, Direktor der Neurochirurgie am Städtischen Klinikum Karlsruhe, brachte es beim 17. Innovation Forum Medizintechnik auf den Punkt:
„KI kann uns im Alltag entlasten – aber sie darf den Menschen nicht verdrängen.“
Er fordert mehr Verantwortung im Umgang mit KI-Systemen – besonders dort, wo es um Leben, Lernen und Präzision geht.
Diagnose in Sekunden – aber zu welchem Preis?
Ein Beispiel aus der Praxis: KI kann Tumorgewebe auf CT-Bildern blitzschnell erkennen. Für Ärztinnen und Ärzte ein enormer Zeitgewinn – aber auch ein Risiko.
„Wer sich in der Ausbildung selbst durch Hunderte Bilder arbeitet, trainiert sein Auge, sein Denken, seine Intuition“, erklärt Spetzger. „Diese Erfahrung darf uns nicht verloren gehen.“
Seine Warnung: Automatisierung darf das Lernen nicht ersetzen.
Roboter im OP – Hilfe oder Hindernis?
Auch die Robotik zieht in immer mehr OP-Säle ein. Doch Spetzger sieht die Gefahr:
„Routine entsteht durch Wiederholung. Wenn Maschinen sie übernehmen, verlieren junge Chirurgen das Gefühl für den menschlichen Körper.“
Er nennt diesen bewussten Abgleich zwischen Technik und Realität die „Ground Truth“ – die menschlich geprüfte Grundwahrheit. Ohne sie, so Spetzger, werde Medizin zu Mechanik.
Hightech trifft Verantwortung
Trotz aller Mahnung ist Spetzger kein Technikgegner – im Gegenteil.
„Die moderne Neurochirurgie ist eines der technikintensivsten Fächer überhaupt. Wir müssen mit der internationalen Entwicklung Schritt halten.“
Dazu gehört für ihn: Medizin, Informatik und Ingenieurwesen enger zu verzahnen – nicht nur in der Theorie, sondern im echten Klinikalltag.
Karlsruhe setzt ein Zeichen: Kooperation mit KIT
Ein starkes Signal kommt nun aus Karlsruhe. Das Städtische Klinikum und das Karlsruher Institut für Technologie (KIT) haben eine zukunftsweisende Kooperation besiegelt.
Ziel: Forschung, Lehre und Praxis zusammenführen.
„Das ist für mich ein Herzensprojekt“, sagt Spetzger, der seit Jahren auch am KIT lehrt. „Wir schaffen hier einen echten Schulterschluss zwischen Wissenschaft und Operationstisch.“
Künftig sollen Medizintechnik-Studierende direkt im OP lernen – praxisnah, mit modernster Technologie und realen Herausforderungen. Außerdem entstehen sechs neue Professuren im Bereich Medical Engineering, und der neue Campus zieht in unmittelbare Nähe des Klinikums.
Wettbewerb mit China und den USA
Spetzger betont: Deutschland könne nur durch Praxisnähe und exzellente Ausbildung mithalten. „Die USA und China investieren massiv in KI und Robotik. Unser Vorteil sind Wissen, Präzision – und der direkte Kontakt zum Patienten.“
Er sieht die Stärke im regionalen Netzwerk Süddeutschlands – mit vielen „Hidden Champions“ der Medizintechnik, die global führend sind.
„Diese Unternehmen brauchen kluge Köpfe – und Partner in der Forschung. Genau das bieten wir mit dieser Kooperation.“
Fazit: KI braucht Herz und Hirn
Das Innovation Forum Medizintechnik zeigte eindrucksvoll: Die Zukunft der Medizin ist digital – aber bleibt menschlich.
Oder wie es Spetzger sagt:
„Technik kann nur so gut sein, wie die Menschen, die sie verantwortungsvoll nutzen.“
