Führende Politiker von CDU und CSU fordern eine Abschwächung der deutschen Klimaschutz-Politik. Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) riet in der „Welt“ (Mittwochausgabe) dazu, „in Ruhe und ohne Schaum vor dem Mund“ darüber zu sprechen, ob man die Klimaneutralität wirklich im anvisierten Zieljahr erreichen müsse. Er betonte, dass eine starre Festlegung auf 2045 weitreichende Konsequenzen für Verkehr, Landwirtschaft, Wohnungswesen und Energie habe.
Kretschmer wirft die Frage auf, ob vollständige Klimaneutralität das Ziel sein solle. Er fragte, ob nicht auch 80 oder 90 Prozent ausreichten oder ob ein Zieljahr wie 2050 statt 2045 zielführender wäre. Dies würde „vieles ändern und muss in Ruhe diskutiert werden“, so der Ministerpräsident, der die derzeitige Betrachtung als „sehr dogmatisch“ kritisierte.
Hintergrund der Debatte ist das Klimaurteil des Bundesverfassungsgerichts von 2021, das eine Pflicht zur Klimaneutralität aus Artikel 20a des Grundgesetzes ableitete. Deutschland steht laut Karlsruhe ein CO2-Budget zur Verfügung, das sich am Pariser Klimaabkommen orientiert. Nach 2045 dürfte demnach nur dann CO2 ausgestoßen werden, wenn noch ein Rest des Budgets übrig ist, was drastische CO2-Einsparungen zuvor erfordert. Der Internationale Gerichtshof hatte zudem klargestellt, dass das 1,5-Grad-Ziel völkerrechtlich verpflichtend ist.
CSU-Generalsekretär Martin Huber betonte gegenüber der Zeitung die Notwendigkeit eines „vernünftigen Klimaschutzes“, der Klimaziele erreicht, Wirtschaftskraft und Wohlstand erhält und die Gesellschaft mitnimmt. Er forderte, Ökologie und Ökonomie zusammenzudenken, um Deutschland nicht zu einer „klimaneutralen grünen Wirtschaftsruine“ werden zu lassen. Huber appellierte an die EU, die CO2-Flottengrenzwerte für Neuwagen ab 2035, oft als „Verbrennerverbot“ bezeichnet, zurückzunehmen.
Mark Helfrich, CDU-Abgeordneter und Vorsitzender der Arbeitsgruppe Umwelt der Unions-Fraktion, äußerte Bedenken, dass Produktion aufgrund von Klimaschutz aus Deutschland abwandern könnte. Er erinnerte an den Grundkonsens, dass die Energiewende die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft nicht beeinträchtigen dürfe. Es müsse verhindert werden, dass deutsche Hersteller mit ausländischen Konkurrenten konkurrieren, die nach niedrigeren Klima- und Umweltstandards produzieren.
Eine andere Position vertritt Andreas Jung, einer der stellvertretenden Vorsitzenden der CDU. Er bekräftigte das Festhalten an den Klimazielen. „Wir haben uns 2024 in unserem neuen Grundsatzprogramm zur Klimaneutralität bis 2045 bekannt, genauso in unserem Wahlprogramm, und wir haben das im Koalitionsvertrag mit der SPD vereinbart – wir wollen und werden davon jetzt nicht abrücken“, sagte Jung der „Welt“.
Dennoch fordert auch Jung eine Korrektur der bisherigen Klimaschutz-Politik. Klimaschutz bleibe ein wichtiger Wert, aber der bisherige Weg zur Klimaneutralität sei „teilweise zu eng oder falsch“. Er plädierte für einen „echten Pragmatismus, neue Offenheit und mehr Marktwirtschaft“ bei klarer Rahmensetzung.
(Mit Material der dts Nachrichtenagentur erstellt)