Der Chef der Krankenhauskette Sana, Thomas Lemke, warnt eindringlich vor einer drohenden Rationierung von medizinischen Leistungen im deutschen Gesundheitswesen. Diese Entwicklung sei unausweichlich, falls die Bundesregierung nicht zu tiefgreifenden Strukturreformen bereit sei, äußerte er gegenüber dem Wirtschaftsmagazin Capital.
Lemke beobachtet eine wachsende Bereitschaft in der Bevölkerung, für schnellere Termine oder besseren Service aus eigener Tasche zu zahlen. Sollte die Politik hier untätig bleiben, befürchtet er, dass Anbieter von Gesundheitsdienstleistungen sich an dieser Nachfrage orientieren und diese bevorzugt bedienen würden. Die Konsequenz wäre, dass „immer weniger Angebot für weite Teile der Bevölkerung zur Verfügung“ stehe.
Besonders kritisch bewertet Lemke die aktuelle Finanzlage vieler Krankenhäuser. Er betont: „Wenn wir hier nicht gegensteuern und Kliniken keine ausreichende finanzielle Basis geben, droht die Rationierung medizinischer Leistungen.“ Dies könne zu einer medizinischen Versorgung führen, die primär auf Wartelisten basiere.
Mit diesen Aussagen spricht der Klinikkettenchef ein sensibles Thema an, das in der deutschen Politik selten offen diskutiert wird. Obwohl in Deutschland offiziell jeder Patient Anspruch auf die gleichen medizinischen Leistungen hat, sind Wartezeiten von Wochen oder Monaten für Arzt-, Behandlungs- und Operationstermine bereits Realität. Die Große Koalition hatte sich zwar eine Gesundheitsreform vorgenommen, stagniert jedoch in der Umsetzung.
Angesichts des absehbaren Finanzlochs bei den gesetzlichen Krankenkassen im kommenden Jahr und des Ziels, einen Beitragsanstieg zu Jahresbeginn zu vermeiden, hat Gesundheitsministerin Nina Warken (CDU) ein kurzfristiges Sparpaket angekündigt. Lemke merkt jedoch an, dass dies bestenfalls eine kurzfristige Entlastung schaffen werde, da die Ausgaben der gesetzlichen Kassen für Therapien und Arzneimittel jährlich um acht bis zwölf Prozent steigen – und somit die normale Inflation deutlich übertreffen.
Lemke zieht Vergleiche zu anderen Ländern, die bereits Regelungen und Mechanismen implementiert haben. Dort sei der uneingeschränkte Zugang zu medizinischen Leistungen – abgesehen von Notfall- und Basisversorgung – an bestimmte Voraussetzungen geknüpft und fordere mehr Eigenverantwortung. Als Beispiel nennt er die Niederlande, wo Patienten bis zu zwei Jahre auf eine Knie-Operation warten. Er stellt fest: „Gesellschaftlich ist das dort akzeptiert.“ Obwohl er anerkennt, dass Deutschland in dieser Hinsicht zu Recht anders „tickt“, warnt er: „Wenn wir die Problematik nicht ansprechen, wird eine Rationierung doch kommen, nur eben nicht offen, sondern heimlich.“
(Mit Material der der dts Nachrichtenagentur erstellt)