Ein Sprecher des Auswärtigen Amtes sagte laut T-Online: „Wir verfolgen den zunehmenden Druck gegen die größte türkische Oppositionspartei CHP aufmerksam, das aktuelle Vorgehen verstärkt unsere Sorgen um Demokratie und Rechtsstaatlichkeit in der Türkei.“
Weiter erklärte er: „Es drängt sich der Eindruck auf, dass der politische Wettstreit in der Türkei immer mehr auch mit Mitteln der Justiz geführt wird. Wir thematisieren dies in bilateralen Gesprächen mit der türkischen Seite.“
Justiz-Offensive gegen Opposition
Die türkische Justiz geht derzeit mit voller Härte gegen die CHP vor. Der abgesetzte Istanbuler Bürgermeister Ekrem Imamoglu sitzt seit dem Frühjahr wegen Korruptionsvorwürfen in Untersuchungshaft. Am Montag stürmte die Polizei sogar die Parteizentrale der CHP in Istanbul.
Harte Worte aus Berlin
Deutliche Kritik kommt aus allen politischen Lagern in Berlin.
Der außenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Jürgen Hardt, sagte T-Online: „Meine Sorge um die türkische Demokratie ist sehr groß. Die Aussöhnung mit den Kurden bietet gewaltiges Potenzial für die Türkei – demokratisch, sicherheitspolitisch und gesellschaftlich. Diesen Erfolg verspielt man nun auf anderer Front durch völlig unbotmäßiges Vorgehen gegen eine legitime Oppositionskraft.“
Er warnte: „Die Türkei muss zu einer Normalität finden, sie scheint innenpolitisch im steten Ausnahmezustand. Das hemmt dieses so starke Land.“
Auch SPD-Außenpolitiker Adis Ahmetovic kritisierte das Vorgehen scharf: „Die immer härteren Maßnahmen gegen die größte Oppositionspartei CHP stellen eine erhebliche Gefahr für die türkische Demokratie dar. Die Instrumentalisierung der Justiz und in der Folge jetzt das Verbot von Parteiversammlungen und die Abriegelung der Parteizentrale in Istanbul sind Ausdruck eines autoritären Kurses, den wir entschieden verurteilen“, sagte er. „Damit zeigen die politisch Verantwortlichen, dass sie kein Interesse an freien und unabhängigen Wahlen in der Türkei haben, da sie um ihre Mehrheit fürchten müssen.“
Noch schärfer äußerte sich der Grünen-Politiker Max Lucks: „Präsident Erdoğan hat nicht nur den türkischen Staat nach seinem Geschmack umgebaut, nun wird mit der vollen Härte der politisierten Justiz auch die Opposition seiner Personalpolitik ausgesetzt. Das hat nichts mit einer demokratischen Staatsführung zu tun.“
Streit über deutsche Reaktion
Uneinigkeit herrscht über den Umgang Deutschlands mit Ankara.
Hardt fordert Zurückhaltung: „Deutschland muss gar keine Maßnahmen treffen, will es gar nicht. Wir wollen die Türkei enger an uns binden, es ist die türkische Regierung, die sich durch die Maßnahmen gegen die Opposition entfernt. Sie bestraft sich selbst, indem Investoren sich abwenden, Touristen das Land weniger frequentieren und die Migration junger gebildeter Türken ins Ausland zunimmt.“
Die Grünen sehen das völlig anders. Lucks kritisierte: „All das kann Präsident Erdoğan machen, da lautstarke Kritik und echte Maßnahmen, die seinen Gefolgsleuten wehtun, ausbleiben. Die deutsche Bundesregierung geht sogar dazu über und gibt den Export von Eurofightern frei. Da fragt man sich, welches Interesse die Bundesregierung mit ihrer Türkeipolitik verfolgt. Mit solchen Maßnahmen steht sie nicht auf der Seite der demokratischen Kräfte.“
