Christian Kullmann, der Leiter des Essener Chemiekonzerns Evonik, hat eine tiefgreifende Kritik am europäischen Emissionshandel geäußert. Gegenüber der „Süddeutschen Zeitung“ forderte er, das System entweder vollständig abzuschaffen oder zumindest drastisch zu reformieren.
Kullmann begründete seine Haltung mit der globalen Wettbewerbssituation: „Wir haben das weltweit schärfste CO₂-Gebührenregime, aber das Klima kennt keine Grenzen.“ Er argumentierte, es sei „völlig falsch“, eine technologisch führende Industrie mit zusätzlichen Gebühren zu benachteiligen. Diese Politik belaste die europäische Industrie im internationalen Konkurrenzkampf und führe dazu, dass Europa Produkte aus Ländern importiere, die er als „echte CO₂-Schleudern“ bezeichnete. Aus volkswirtschaftlicher Sicht sei dies „ein Irrsinn“.
Die Notwendigkeit einer Änderung des Emissionshandels begründet Kullmann auch mit einem „Epochenwandel“ in den weltwirtschaftlichen Bedingungen. Er stellte fest, dass die Industrienationen globale Probleme nicht mehr gemeinsam lösen und jeder für sich kämpfe. Die europäische Industrie sei mit Konkurrenten konfrontiert, die von ihren Regierungen stark unterstützt würden und zudem von günstigeren Energie– und Rohstoffkosten profitierten.
Auch den geplanten Klimazoll, der die europäische Industrie vor sogenanntem Umweltdumping schützen soll, bewertet Kullmann skeptisch. Er sei der Ansicht, dass Europa „im Zweifel, wenn es hart auf hart kommt, einen solchen Grenzausgleichsmechanismus gar nicht durchsetzen“ könne. Er bezeichnete die Idee des Grenzausgleichsmechanismus als „eine formal-bürokratische Trickserei ohne Effekt“.
Als konkrete Maßnahmen schlägt Kullmann eine Verlängerung der kostenlosen Zertifikatsvergabe an die Industrie vor. Darüber hinaus müsse eine Übereinkunft erzielt werden, was eine Volkswirtschaft und deren Industrien – vom Automobil über Zement bis zur Chemie – tatsächlich leisten können. Kullmanns Vorschlag beinhaltet eine Vergrößerung der Gesamtmenge an CO₂-Zertifikaten oder eine Reduzierung deren Preises.
(Mit Material der dts Nachrichtenagentur erstellt)

