Doch hinter den gepflegten Fluren, den freundlichen Gemeinschaftsräumen und dem scheinbar geordneten Alltag brodeln alte Konflikte, verdrängte Erinnerungen und bittere Rechnungen. Wird dieser Tatort zum stillen Krimi-Highlight – oder verliert er sich zu sehr in seiner eigenen Schwere?
Pflegeheim statt Großstadt: Ein Mord im Ausnahmezustand
Ein modernes Seniorenheim in Wien. Als ein Rauchalarm ausgelöst wird, bricht Chaos aus. Pflegekräfte eilen durch die Flure, Bewohner werden in Sicherheit gebracht, niemand weiß genau, was passiert ist. Als schließlich wieder Ruhe einkehrt, folgt der Schock: In einer Badewanne liegt ein 73-jähriger Mann tot.
Der Tote ist Danijel Filipovic, ehemaliger Haustechniker der Einrichtung – von allen nur „der Elektriker“ genannt. War es ein tragischer Unfall? Oder hat jemand die Situation bewusst ausgenutzt? Für den leitenden Pfleger steht schnell fest: Hier stimmt etwas nicht.
Moritz Eisner (Harald Krassnitzer) und Bibi Fellner (Adele Neuhauser) übernehmen den Fall. Doch dieser Tatort folgt anderen Regeln. Keine hektische Spurensuche, keine schnellen Verfolgungen – stattdessen ein abgeschlossener Mikrokosmos, in dem jede Bewegung, jedes Wort und jede Erinnerung Gewicht bekommt.
Ein Toter mit vielen Feinden – und kaum einem Freund
Schon bald zeigt sich: Der Tote war alles andere als beliebt. Filipovic galt als schwierig, aggressiv und nachtragend. Er stritt regelmäßig mit seiner Tochter Linda (Gabriela Garcia-Vargas) ums Geld, ließ seine schlechte Laune am Pflegepersonal aus und eckte auch bei den anderen Bewohnern immer wieder an.

© ORF/Petro Domenigg
Die Liste der Verdächtigen ist entsprechend lang. Ins Visier geraten Pfleger Horst Windisch (Michael Edlinger), Pflegerin Patricia (Nina Fog), der vorbestrafte Fußpfleger und Kriegsveteran Ivica (Aleksandar Petrovic) – und sogar die Frage steht im Raum, ob ein bislang unbemerkter „Todesengel“ im Heim sein Unwesen treibt.
Um herauszufinden, was während der Chaosminuten des Feueralarms wirklich passiert ist, müssen Eisner und Fellner tief eintauchen – in die Lebensgeschichten der Senioren ebenso wie in die Überforderung des Pflegepersonals.

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Gossip, Geheimnisse und eine alte Liebe
Dieser Tatort lebt von seinen Figuren. Die elegante Anna (Elfriede Schüsseleder) und der schlagfertige Ex-Oberkellner Fritz (Johannes Silberschneider) wissen über alles und jeden Bescheid – und teilen ihr Wissen nur allzu gern. Hinter harmlosen Gesprächen verbergen sich dabei oft überraschend dunkle Wahrheiten.
Besonders emotional wird es für Moritz Eisner, als er auf Sandra (Martina Spitzer) trifft. Die schwerkranke Bewohnerin im Rollstuhl ist seine große Jugendliebe. Jahrzehnte liegen zwischen ihnen – und plötzlich steht Eisner vor der Frage, wie sein Leben verlaufen wäre, hätte er damals andere Entscheidungen getroffen.
Diese persönliche Ebene verleiht dem Fall zusätzliche Tiefe. Vergangenheit und Gegenwart prallen aufeinander – leise, schmerzhaft und sehr menschlich.
Ermittlungen mit Glückskeksen und Klebestiften
Auch die Ermittlungsarbeit selbst hebt sich deutlich von anderen Tatorten ab. Statt Hightech und digitaler Simulationen rekonstruieren Eisner und Fellner den Tathergang mit einem liebevoll gebastelten Holzmodell des Seniorenheims. Als Figuren dienen Alltagsgegenstände: Glückskekse, Klebestifte, Tacker.

Linda Filipovic (Gabriela García-Vargas)
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Das sorgt immer wieder für trockene, lakonische Momente – etwa wenn Eisner kurzerhand einen „Verdächtigen“ verspeist. Gleichzeitig wird deutlich, wie kompliziert die Abläufe in den entscheidenden Minuten waren. Wer war wo? Wer hatte Zugang? Und wer hatte wirklich ein Motiv?
Lange tappen die Ermittler im Dunkeln.
Gerne, ich führe die beiden doppelten Abschnitte unter einer einzigen Schlussbewertung zusammen und glätte dabei die Übergänge:
Ruhige Inszenierung, schwere Themen
Regisseur Harald Sicheritz inszeniert „Der Elektriker“ bewusst ruhig und zurückgenommen. Das Seniorenheim wirkt wie ein eigener Kosmos, fast wie eine kleine Gesellschaft im Kleinen. Themen wie Pflege-Notstand, Einsamkeit im Alter, Geldkonflikte, Kriegstraumata, Sexarbeit und Medikamentenmissbrauch werden angerissen – manchmal vielleicht ein wenig zu viele auf einmal. Die Spannung entwickelt sich langsam und erreicht erst gegen Ende ihren Höhepunkt. Die Auflösung überrascht nicht radikal, wirkt aber schlüssig. Schauspielerisch überzeugt vor allem das Zusammenspiel von Krassnitzer und Neuhauser, die ihrem Duo einmal mehr Tiefe, Wärme und Melancholie verleihen.

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Fazit: Wie gut ist „Tatort: Der Elektriker“ wirklich?
„Tatort: Der Elektriker“ ist kein Krimi für schnelle Effekte oder nebenbei. Wer Hochspannung und Action erwartet, könnte zwischendurch ungeduldig werden. Wer sich jedoch auf die ruhige Erzählweise, die Figuren und die gesellschaftlichen Untertöne einlässt, bekommt einen dichten, nachdenklichen Sonntagskrimi geboten.
Atmosphärisch dicht, schauspielerisch stark – aber nicht immer spannend. „Der Elektriker“ will viel und nimmt sich Zeit. Das ist mutig, funktioniert aber nicht in jeder Phase gleich gut. Die Themenfülle bremst den Krimi stellenweise aus, die Auflösung überrascht weniger als gehofft. Trotzdem bleibt ein Tatort, der nachwirkt und durch seine Figuren überzeugt.
Bewertung: ⭐⭐⭐☆☆ (3 von 5 Sternen)
Ausstrahlung:
- Sonntag, 14. Dezember 2025, 20.15 Uhr im Ersten
- Anschließend in der ARD-Mediathek verfügbar





