Einführung von HVO100 und ministerielle Bewerbung
Am 29. Mai 2024 wurde der neue Kraftstoff HVO100 in Deutschland eingeführt. Verkehrsminister Volker Wissing und sein Staatssekretär Oliver Luksic, beide FDP, äußerten sich ungewöhnlich positiv über den angeblich „besonders nachhaltigen und hochwertigen“ HVO100-Kraftstoff. Auf der offiziellen Webseite des Ministeriums wird behauptet, HVO100 verbrenne im Vergleich zu konventionellem Diesel sauberer und geruchsärmer, wodurch die lokale Umweltbelastung in Städten und Kommunen reduziert werde.
DUH zweifelt an Umweltfreundlichkeit – Erste Messungen alarmierend
Die DUH hegt ernsthafte Zweifel an diesen Behauptungen. Bereits Mitte Juni 2024 informierte die Organisation das Verkehrsministerium über Hinweise auf deutlich erhöhte Stickoxid-Emissionen bei bestimmten Diesel-Fahrzeugen. Erste Abgastests des DUH-eigenen Emissions-Kontroll-Instituts im realen Straßenbetrieb zeigten bei einem VW Touareg Euro 5 sogar um 20 Prozent erhöhte Stickoxid-Werte im Vergleich zu herkömmlichem Diesel.
DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch betont die potenziellen Gesundheitsgefahren: „Allein wegen der hohen Stickstoffdioxidwerte in der Atemluft sterben jedes Jahr über 23.000 Menschen in Deutschland vorzeitig. Statt Scheinlösungen wie HVO100 brauchen wir eine echte und ehrliche Lösung der seit neun Jahren in Deutschland vom Bundesverkehrsministerium behinderten technischen Nachrüstung der immer noch circa acht Millionen Dieselfahrzeuge mit illegalen Abschalteinrichtungen und extrem hohen Stickoxidemissionen.“
Gescheiterte Gespräche führen zu formalem Antrag In einem Gespräch mit der zuständigen Abteilungsleiterin bat die DUH um die Aushändigung der dem Verkehrsministerium vorliegenden Messwerte von Diesel-Pkw wie auch Nutzfahrzeugen bei Verwendung von HVO100. Das Ministerium weigerte sich jedoch, vorliegende Daten und Messungen zu veröffentlichen.
Klage nach erfolglosem Informationsgesuch Daraufhin stellte die DUH am 14. Juni 2024 einen formalen Antrag auf Basis des Umweltinformationsgesetzes (UIG). Sie forderte das Ministerium auf, bis zum 12. Juli 2024 alle relevanten Dokumente zu übermitteln, die mit dem Emissionsverhalten bei Verwendung von HVO100 in Zusammenhang stehen. Eine gleichlautende Anfrage ging auch an das Kraftfahrt-Bundesamt. Nachdem auch eine gesetzte Nachfrist erfolglos verstrich, sah sich die DUH gezwungen, den Rechtsweg zu beschreiten.
Verdacht auf Lobby-Verstrickung
Die Umweltorganisation vermutet einen tieferliegenden Skandal: Laut investigativen Recherchen des ZDF-Magazins „frontal“ soll hinter der Einführung von HVO100 eine von der Ölindustrie initiierte Kampagne stecken, in die das Verkehrsministerium verstrickt sein soll. Besonders brisant: Staatssekretär Oliver Luksic fungiert gleichzeitig als Schirmherr dieser Lobby-Kampagne.
Resch kommentiert diese Verbindungen kritisch
„Die von ZDF frontal aufgedeckte skandalöse Zusammenarbeit von Verkehrsminister Wissing und seinem Staatssekretär Luksic mit der Lobby-Kampagne der Ölindustrie für HVO100 steigert unsere Neugierde auf die vom Ministerium verweigerten Messergebnisse und Prüfprotokolle.“
Forderung nach technischer Nachrüstung statt HVO100 Die DUH fordert statt „Scheinlösungen“ wie HVO100 eine echte technische Nachrüstung der etwa acht Millionen Dieselfahrzeuge mit illegalen Abschalteinrichtungen. Resch appelliert an Minister Wissing:
„Volker Wissing muss aufhören, HVO100 mit falschen Behauptungen zu bewerben und stattdessen seinen Einsatz für die kurzfristige Durchsetzung einer wirklich Sauberen Luft in unseren Städten durch eine Stilllegung oder Nachrüstung schmutziger Dieselfahrzeuge erhöhen.“
Ausblick und mögliche Konsequenzen Das Verkehrsministerium hält bislang an seiner positiven Darstellung von HVO100 fest und hat sich zur Klage noch nicht öffentlich geäußert. Der Ausgang des Gerichtsverfahrens könnte weitreichende Folgen für die weitere Einführung und Nutzung des umstrittenen Kraftstoffs haben.
Die Kontroverse um HVO100 wirft grundsätzliche Fragen zur Transparenz bei der Einführung neuer Kraftstoffe und zur Rolle von Lobbyismus in der Verkehrspolitik auf. Es bleibt abzuwarten, ob das Gericht die Herausgabe der Messwerte anordnen wird und welche Konsequenzen sich daraus für die Zukunft von HVO100 in Deutschland ergeben könnten.
Hintergrund:
Der neue Dieselkraftstoff HVO100 wird von Bundesverkehrsminister Wissing als Mittel zur Reduzierung der lokalen Umweltbelastung in Städten und Kommunen beworben. Offizielle Darstellungen des Ministeriums behaupten, HVO100 verbrenne im Vergleich zu konventionellem Diesel sauberer und geruchsärmer. Erste unabhängige Messungen der DUH widersprechen jedoch diesen Behauptungen. Bei einem Euro 5 Diesel VW Touareg zeigte das DUH Emissions-Kontroll-Institut eine Erhöhung der Stickoxid-Emissionen um 20 Prozent bei Verwendung von HVO100 im Vergleich zu konventionellem Diesel.
Die DUH fordert eine transparente Veröffentlichung aller relevanten Daten, um eine faktenbasierte Diskussion über die Zukunft und die tatsächliche Umweltverträglichkeit des Kraftstoffs HVO100 zu ermöglichen. Die Organisation setzt sich weiterhin für eine umfassende technische Nachrüstung von Diesel-Fahrzeugen ein, um die Luftqualität in deutschen Städten nachhaltig zu verbessern.




