Unser galaktisches Zuhause ist in Bewegung

Ein kosmisches Beben? Gigantische Welle zieht durch unsere Milchstraße – ESA-Teleskop Gaia liefert einzigartige Daten

Die Milchstraße – unsere galaktische Heimat – wirkt für den Blick von der Erde aus still und unveränderlich. Doch der Eindruck täuscht: Neue Daten des europäischen Weltraumteleskops Gaia zeigen, dass unsere Galaxis in Bewegung ist wie ein lebendiger Organismus. Forscherinnen und Forscher haben eine gigantische Welle entdeckt, die sich durch die Sternenscheibe der Milchstraße zieht und Sterne auf Distanzen von zehntausenden Lichtjahren auf- und absteigen lässt.
  • Phänomen: Eine gigantische Welle bewegt Sterne im äußeren Bereich der Milchstraße.

  • Größe: Die Welle erstreckt sich über 30.000 bis 65.000 Lichtjahre – das sind rund zwei Drittel des Durchmessers unserer Galaxis.

  • Entdecker: ESA-Weltraumteleskop Gaia mit seinen präzisen Messungen von Sternpositionen und -bewegungen.

  • Bewegung: Sterne steigen langsam auf und ab, vergleichbar mit einer La-Ola-Welle im Stadion.

  • Ursprung: Noch ungeklärt – Hypothesen reichen von einer Kollision mit einer Zwerggalaxie bis zu einer möglichen Verbindung mit der Radcliffe-Welle.

  • Zukunft: Der nächste große Gaia-Datenrelease im Jahr 2026 könnte weitere Antworten liefern.

Ein kosmisches Beben? Gigantische Welle zieht durch unsere Milchstraße – ESA-Teleskop Gaia liefert einzigartige Daten
Ein kosmisches Beben? Gigantische Welle zieht durch unsere Milchstraße – ESA-Teleskop Gaia liefert einzigartige Daten
Foto: ESA/Gaia/DPAC, S. Payne-Wardenaar, E. Poggio et al (2025)

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Die Milchstraße als dynamisches System

Schon seit rund hundert Jahren Astronominnen und Astronomen, dass Sterne im Kreis um das Zentrum der Milchstraße rotieren. Später stellte sich heraus, dass die Scheibe unserer Galaxis nicht flach ist, sondern gekrümmt und verzogen. 2020 gelang Gaia der Nachweis, dass die Milchstraße sogar wie ein Kreisel schwankt.

Mit der aktuellen Entdeckung kommt ein weiteres Puzzlestück hinzu: Eine riesige Wellenbewegung, die die Bewegungen von Millionen Sternen beeinflusst. Sie erstreckt sich über eine Entfernung von 30.000 bis 65.000 Lichtjahren vom Zentrum – also über zwei Drittel des Durchmessers der Milchstraße.

Eine La-Ola im Kosmos

Um die Bewegung zu verdeutlichen, nutzen die Forschenden ein Bild aus dem Alltag: die La-Ola-Welle in einem Fußballstadion. Manche Zuschauer stehen bereits, andere setzen sich, und dazwischen sind Menschen zu sehen, die gerade dabei sind, aufzustehen oder sich hinzusetzen.

Ganz ähnlich verhalten sich die Sterne in der Milchstraße:

  • In bestimmten Regionen steigen sie nach oben,
  • in anderen Regionen sinken sie ab,
  • und dazwischen zeigen ihre Bewegungen, dass eine Welle „durchläuft“.

Astronomin Eloisa Poggio vom italienischen Institut für Astrophysik (INAF), die das Forschungsteam leitete, beschreibt:

„Das Spannende ist nicht nur das sichtbare Muster, sondern auch, dass sich die Sterne genauso bewegen, wie man es von einer Welle erwarten würde.“

Rätsel um den Ursprung

Doch woher kommt diese gewaltige kosmische Bewegung? Eine eindeutige Antwort gibt es bislang nicht. Zwei Hypothesen stehen im Raum:

  1. Kollision mit einer Zwerggalaxie: Möglicherweise hat eine kleinere Galaxie die Milchstraße gestreift und so ein Nachbeben ausgelöst, das bis heute nachwirkt.
  2. Verbindung zur Radcliffe-Welle: Diese wurde erst vor wenigen Jahren entdeckt und beschreibt eine 9000 Lichtjahre lange Struktur aus Gaswolken, die sich ebenfalls wellenförmig verhält. Ob beide Phänomene zusammenhängen, ist bislang unklar.

Gaia – das Auge der Milchstraße

Die Entdeckung ist nur möglich, weil Gaia seit 2013 die bislang präziseste Sternenkarte unserer Galaxis erstellt hat. Mit einer Gigapixel-Kamera beobachtete das Teleskop über zehn Jahre lang den Himmel und erfasste dabei die Positionen und Bewegungen von über einer Milliarde Sternen.

Die Methode der Parallaxenmessung erlaubt es, selbst winzige Bewegungen exakt zu bestimmen – und so Muster sichtbar zu machen, die mit dem bloßen Auge unsichtbar bleiben. Auch wenn Gaia inzwischen abgeschaltet ist, liefern die gewonnenen Daten weiterhin revolutionäre Erkenntnisse.

Blick in die Zukunft

Der nächste große Meilenstein wird die Datenveröffentlichung 2026 sein. Dann erwarten Forschende noch genauere Informationen zu Sternen, insbesondere zu variablen Sternen wie den Cepheiden, die durch ihre periodisch schwankende Helligkeit wichtige Entfernungsmarker darstellen.

ESA-Projektwissenschaftler Johannes Sahlmann fasst die Bedeutung zusammen:

„Mit den kommenden Daten werden wir die Milchstraße noch besser kartieren und hoffentlich auch das Rätsel um die große Welle entschlüsseln können.“

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