Forschung am Abgrund: Warum keine neuen Antibiotika entwickelt werden
„Die Forschungspipeline ist so gut wie leer“, warnt Prof. Mark Brönstrup vom Deutschen Zentrum für Infektionsforschung (DZIF). Seit 2017 wurden nur zwölf neue Antibiotika zugelassen – und zehn davon gehören bereits bestehenden Klassen an, gegen die bereits Resistenzen existieren. Doch warum ist das so? Die Antwort ist erschreckend einfach: Für Pharmaunternehmen sind Antibiotika finanziell nicht attraktiv. Da sie nur restriktiv eingesetzt werden sollen, um Resistenzen hinauszuzögern, ist der Umsatz zu gering, um die enormen Entwicklungskosten zu decken.
Diese Marktdynamik führt dazu, dass immer weniger Unternehmen in die Forschung investieren. „Wir brauchen dringend wirtschaftliche Anreize, die die Entwicklung und Vermarktung neuer, resistenzbrechender Antibiotika fördern“, betont Harald Zimmer vom Deutschen Netzwerk gegen Antimikrobielle Resistenzen (DNAMR). Ein Vorschlag: Die Verlängerung des Exklusivverkaufs eines anderen Medikaments als Belohnung für Unternehmen, die neue Antibiotika auf den Markt bringen.
Der Rückschritt in die Zeit vor Penicillin?
Die Warnungen der Expertsind eindeutig: Wenn die Antibiotika-Resistenzen weiter zunehmen und keine neuen Medikamente entwickelt werden, könnten wir bald in eine medizinische Katastrophe ungeahnten Ausmaßes geraten. „Wir laufen Gefahr, die Errungenschaften der modernen Medizin zu verlieren“, erklärt Prof. Dr. Mathias Pletz, Präsident der PEG. Infektionen, die einst leicht behandelbar waren, könnten wieder zur häufigsten Todesursache werden. Besonders betroffen sind dabei Patientmit geschwächtem Immunsystem, etwa durch Krebs– und Rheumatherapie oder nach Implantationen.
Die Dramatik wird deutlich, wenn man bedenkt, dass Infektionen bereits jetzt die dritthäufigste Todesursache weltweit sind. Der gesicherte Zugang zu wirksamen Antibiotika ist eine Grundvoraussetzung für viele medizinische Eingriffe, doch genau dieser Zugang wird immer unsicherer.
Hoffnungsschimmer: Alternative Ansätze in der Forschung
Trotz der alarmierenden Situation gibt es auch Hoffnung. Neben neuen Antibiotika werden auf der PEG-Tagung auch alternative Behandlungsmethoden wie Therapien mit Bakteriophagen oder Pathoblocker diskutiert. Letztere schwächen Bakterien, ohne sie abzutöten, und verhindern so die Entstehung neuer Resistenzen. Solche Ansätze könnten die Medizin revolutionieren und neue Wege im Kampf gegen Infektionen eröffnen.
Die Forderung der Fachleute ist klar: Nur mit neuen Vergütungsmodellen und massiven Investitionen in die Forschung können wir die Bedrohung durch antibiotikaresistente Bakterien in den Griff bekommen. Der Kampf gegen Resistenzen ist ein Wettlauf gegen die Zeit – und die Uhr tickt unaufhaltsam.
Die Zukunft der modernen Medizin hängt davon ab, ob wir es schaffen, neue, wirksame Antibiotika zu entwickeln und den Einsatz existierender Präparate klug zu steuern. Experten appellieren eindringlich an die Politik, hier endlich zu handeln – bevor es zu spät ist.

