68 Tote – ein neuer „Tatort“-Höchstwert
Die Zahl klingt fast surreal: 68 Todesopfer. Damit schreibt „Kammerflimmern“ schon vor seiner Ausstrahlung Geschichte. Der bisherige Rekordhalter, „Im Schmerz geboren“ (2014, Hessischer Rundfunk), kam auf 51 Tote – eine blutige Western-Abrechnung, in der Ulrich Tukur im Mittelpunkt stand.
Damals flogen Kugeln, es gab offene Gewalt und Bilder, die Zuschauer lange nicht vergaßen. „Kammerflimmern“ erreicht seinen Rekord jedoch auf eine ganz andere Weise: leise, unspektakulär, beinahe unheimlich. Menschen fallen einfach um – ohne Vorwarnung, ohne Täter, ohne sichtbare Gewalt.
© ARD Degeto Film/SRF/Sava Hlavacek
So sterben die Menschen in „Kammerflimmern“
Der Plot: Das Medizintechnik-Unternehmen Lauber Cardio wird Opfer einer Cyberattacke. Implantierte Defibrillatoren, die eigentlich Leben retten sollen, werden durch ein manipuliertes Software-Update zur tödlichen Gefahr.
Ein Polizist zählt nüchtern die Opferzahlen im Kommissariat auf – so entsteht der Rekord. Viele der Toten bekommen keine Geschichte, kein Gesicht. Sie existieren vor allem als Zahl, die Schock auslösen soll.
Die Hacker fordern 317 Millionen Dollar in Kryptowährung. Erst dann wollen sie den digitalen Schlüssel zur Rettung herausgeben.
© ARD Degeto Film/SRF/Sava Hlavacek
„Unwahrscheinlich, aber denkbar“ – ein Horrorszenario mit realem Kern
Die ARD selbst spricht von einem „unwahrscheinlichen, aber denkbaren Horrorszenario“.
Cyberangriffe auf Krankenhäuser oder kritische Infrastruktur sind längst Realität. Dass ein Hacker-Angriff direkt auf medizinische Geräte abzielt, ist zwar bislang Fiktion – aber für Experten nicht völlig ausgeschlossen. Genau diese Mischung aus technischer Raffinesse und subtiler Bedrohung macht „Kammerflimmern“ so beklemmend.
Warum der Rekord so besonders ist
Der „Tatort“ hat in mehr als 50 Jahren Fernsehgeschichte schon unzählige Leichen gezählt. Doch die meisten Episoden bewegen sich im Bereich von ein bis drei Toten pro Folge – klassischer Krimistandard.
Nur wenige Male kam es zu Ausreißern:
- „Im Schmerz geboren“ (2014): 51 Tote, offener Schießerei-Western mit Ulrich Tukur.
- „Bittere Mandeln“ (1996): ca. 20 Opfer, Serienmörder-Thematik.
- „Kartenhaus“ (2001): Terroranschlag mit zahlreichen Toten.
Mit 68 Opfern setzt „Kammerflimmern“ einen einsamen Rekord, der in dieser Dimension wohl einmalig bleiben dürfte. Denn die Folge zeigt, dass Brutalität nicht immer blutig sein muss – auch eine unsichtbare Bedrohung kann Zahlen in die Höhe treiben.
Ermittlerinnen unter Hochspannung
Im Zentrum stehen die Zürcher Kommissarinnen Isabelle Grandjean (Anna Pieri Zuercher) und Tessa Ott (Carol Schuler). Mit ihrem IT-Spezialisten Noah Löwenherz (Aaron Arens) versuchen sie, die digitale Spur der Täter zu verfolgen.
Besonders eindrücklich: Die Serie setzt auf schnelle Schnitte, geteilte Bildschirme, Uhrzeiteinblendungen und pulsierende Musik. „Kammerflimmern“ will ein Echtzeit-Thriller sein – und macht die Bedrohung so körperlich spürbar.
Kritik: Viele Tote, wenig Emotion
Während die Rekordzahl beeindruckt, bleibt ein Problem: Die Toten sind gesichtslos. Keiner der 68 Verstorbenen hat eine eigene Geschichte.
Kritiker werfen dem Film deshalb vor, Distanz zu schaffen. Es gehe weniger um Trauer oder Mitgefühl, sondern um einen technischen Schockeffekt. Emotional berühren vor allem die Ermittlerinnen selbst: Aus Rivalinnen wird im Laufe der Folge ein echtes Team, das sich am Ende sogar umarmt – ein menschlicher Kontrapunkt zum Massensterben.
Fazit: Rekord mit Nachgeschmack
„Kammerflimmern“ wird in die „Tatort“-Geschichte eingehen – als Folge mit den meisten Toten. Der Rekord mag makaber sein, doch er sorgt dafür, dass über den Film gesprochen wird.
Ob Zuschauer den nüchternen Umgang mit den Opfern akzeptieren oder mehr Emotionalität fordern, dürfte Stoff für Diskussionen liefern. Sicher ist: Dieser Tatort ist nichts für schwache Nerven – und schreibt trotzdem Fernsehgeschichte.