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Von der Vision zur finanziellen Zerreißprobe

Stuttgart 21 – Ein Milliardengrab? Die Chronik einer Kostenexplosion

Überblick über den gesamten künftigen Durchgangsbahnhof. Arnim Kilgus | 13. Februar 2023
Foto: Arnim Kilgus | 13. Februar 2023

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Es begann als visionäres Projekt, das Stuttgart in die Zukunft katapultieren sollte: Stuttgart 21, der Umbau des Bahnknotens in der baden-württembergischen Landeshauptstadt. Doch was als Traum von moderner Infrastruktur startete, entwickelte sich schnell zu einem finanziellen Albtraum. Die Kosten für Stuttgart 21 sind seit der ersten Planung in den 1990er Jahren explodiert und haben mittlerweile astronomische Höhen erreicht.

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Anfängliche Kostenschätzungen – Ein Blick zurück

Die Anfänge von Stuttgart 21 reichen zurück in die 1990er Jahre. Ursprünglich als Teil eines umfassenden Verkehrskonzepts geplant, sollte das Projekt die Stadt Stuttgart und die Region revolutionieren. Die Machbarkeitsstudie von 1995 schätzte die Kosten auf 4,807 Milliarden D-Mark, was etwa 2,45 Milliarden Euro entspricht. Diese Schätzung basierte auf dem Preisstand von 1993. Doch schon damals zeichnete sich ab, dass diese Schätzung wohl nur der Anfang einer langen Reihe von Kostensteigerungen sein würde. Nur drei Jahre später, 1998, wurden die Gesamtkosten bereits auf 2,6 Milliarden Euro angehoben.

Finanzierungsvertrag und erste Kostensteigerungen

2009 schätzte die Deutsche Bahn die Kosten auf 2,8104 Milliarden Euro, basierend auf dem Realwert von 2004. Doch diese Zahl sollte nicht lange Bestand haben. Schon im Dezember 2009 stiegen die prognostizierten Gesamtkosten auf 4,088 Milliarden Euro. Die Aufteilung: 3,2 Milliarden Euro für Baukosten, 547 Millionen Euro für Planung und 322 Millionen Euro als Zuschlag für Baupreissteigerungen.

Die Neubaustrecke ist in Betrieb, Regionalzüge überqueren die Filstalbrücke mit 200 Kilometer pro Stunde.
Die Neubaustrecke ist in Betrieb, Regionalzüge überqueren die Filstalbrücke mit 200 Kilometer pro Stunde.
Foto: Arnim Kilgus | Mai 2023

McKinsey-Gutachten und weitere Kostenexplosionen

2012 präsentierte McKinsey ein Gutachten, das die Kosten auf 4,696 Milliarden Euro hochschraubte. Mit zusätzlichen Puffern erreichte die Projektsumme 5,626 Milliarden Euro. Doch das war noch nicht das Ende der Fahnenstange. 2013 schätzte die Bahn die Kosten auf 4,730 Milliarden Euro, mit Risiken und Puffern auf 6,5 Milliarden Euro.

Stuttgart 21: Ein umstrittenes Vorhaben und skeptische Prognosen

Das Projekt ist seit Beginn ein Zankapfel. Bereits früh gab es kritische Stimmen. So prognostizierte eine Studie im Auftrag von BUND und Bündnis 90/Die Grünen 2008 Gesamtkosten von bis zu 8,7 Milliarden Euro. Der Bundesrechnungshof rechnete Ende 2008 mit Mehrkosten von 1,2 Milliarden Euro und Gesamtkosten von 5,3 Milliarden Euro.
Kritiker bemängeln, dass die enormen Kosten in keinem sinnvollen Verhältnis zum erwarteten Nutzen für den Verkehr stehen. Die Auseinandersetzungen um das Projekt erreichten ihren Höhepunkt nach dem Baustart, als es wiederholt zu Zusammenstößen zwischen Demonstranten und der Polizei kam, die zahlreiche Verletzungen zur Folge hatten. Die anhaltenden Proteste, an denen sich zeitweise über 50.000 Menschen beteiligten, mündeten schließlich in einer landesweiten Volksabstimmung in Baden-Württemberg im Jahr 2011.

Abrissarbeiten am Nordflügel, 26. August 2010
Abrissarbeiten am Nordflügel, 26. August 2010
Foto: Mussklprozz – Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0, commons.wikimedia.org

Dabei sprach sich eine Mehrheit von etwa 60 Prozent für die Fortsetzung des Baus aus. Trotzdem bleibt die Kritik bestehen, insbesondere vom Bundesrechnungshof, der wiederholt Bedenken hinsichtlich der Kostenschätzungen und der Überwachung des Projekts äußerte. Das Verkehrsministerium wird beschuldigt, die finanziellen Risiken zu unterschätzen und die Kontrolle zu vernachlässigen, was letztendlich den Bund in die Verantwortung ziehen könnte.

Kostensteigerungen ohne Ende

Ende 2017 wurde eine Erhöhung des Kostenrahmens auf 7,6 Milliarden Euro bekannt, Anfang 2018 stiegen die Kosten weiter auf 8,2 Milliarden Euro. Die Gründe: Baupreissteigerungen, aufwendigere Verfahren beim Tunnelbau und umfangreichere Genehmigungsverfahren. 2019 wurde der Risikopuffer aufgelöst und der Gesamtwertumfang auf 8,2 Milliarden Euro erhöht.

Aktuelle Entwicklungen und düstere Aussichten

Anfang 2022 schätzte die DB die Gesamtkosten auf 9,2 Milliarden Euro. Im März 2022 wurde der sogenannte „Gesamtwertumfang“ auf 9,15 Milliarden Euro erhöht, zuzüglich einer „ergänzenden Vorsorge“ von 640 Millionen Euro. Ende 2023 war die Kostenschätzung auf 11 Milliarden Euro gestiegen, mit einem zusätzlichen Puffer von 500 Millionen Euro. Auch der anvisierte Fertigstellungstermin im Jahr 2025 als besonders ambitioniert angesehen. Trotz der Herausforderungen und der Komplexität des Vorhabens besteht die Hoffnung, dass zumindest wesentliche Teile des Projekts innerhalb der nächsten zwei Jahre fertiggestellt und betriebsbereit sein werden.

Finanzierung – Ein komplexes Puzzle

Die Finanzierung des Projekts war von Anfang an ein komplexes Unterfangen. Ursprünglich sollte das Projekt durch den Verkauf von Grundstücken, Mehreinnahmen aus erhöhtem Fahrgastaufkommen und verbesserten Betriebsabläufen sowie Mitteln des Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetzes finanziert werden. Die Beteiligung privater Investoren war ebenfalls angedacht.

Veränderungen im Finanzierungsplan

Im Laufe der Zeit änderte sich die Finanzierungsstruktur mehrfach. Der Bund, das Land Baden-Württemberg, die Stadt Stuttgart, der Flughafen Stuttgart und der Verband Region Stuttgart waren die Hauptfinanziers. Die Europäische Union beteiligte sich zunächst mit 114,47 Millionen Euro.

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Rechtliche Auseinandersetzungen und Kontroversen

Die eskalierenden Kosten führten zu rechtlichen Auseinandersetzungen und politischen Kontroversen. Die Übernahme der Mehrkosten ist zwischen den Projektpartnern umstritten. Die Stadt Stuttgart und das Land Baden-Württemberg lehnen eine Beteiligung an den Mehrkosten ab, während die Deutsche Bahn versucht, eine gerechte Aufteilung der Lasten zu erreichen.

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