Unionspolitiker üben Druck aus
Die Union macht Druck auf die Bundesregierung: Sie soll sich an einer Initiative von 27 europäischen Staaten beteiligen, um die Europäische Menschenrechtskonvention neu zu bewerten. Ziel ist mehr rechtlicher Spielraum bei Abschiebungen. CDU-Politiker Detlef Seif, Beauftragter der Fraktion für die „Umsetzung der europäischen Asyl- und Migrationswende“, hält das Nichterscheinen Deutschlands bei dieser Erklärung für inkonsequent. Vor allem in der Migrationspolitik sei Deutschland wieder als führende Kraft gefragt. „Es passe nicht in dieses Bild, wenn 27 Länder eine Erklärung zur Neubewertung der Menschenrechtskonvention abgeben, um einen besseren Ausgleich in der Migrationspolitik zu erreichen – und Deutschland sich daran nicht beteilige“, so Seif gegenüber der „Welt“. Er stellte klar, dass der Kerngehalt der Menschenrechte nicht zur Disposition stehe: „Es geht um die ausufernde Interpretation der Menschenrechte, die am Ende zulasten der Sicherheit der Bürger geht.“
Das Problem mit der Auslegung
Seif erläuterte, dass Artikel 3 der Menschenrechtskonvention, der Folter und erniedrigende Behandlung verbiete, von niemandem angetastet werden wolle. Wenn einem abgelehnten Asylbewerber im Herkunftsland tatsächlich Gefahr für Leib und Leben drohe, könne eine Abschiebung zu Recht nicht erfolgen. „Es kann aber nicht sein, dass die Abschiebung selbst schwerster Straftäter verboten wird, weil die Lebensverhältnisse im Herkunftsland prekär sind.“ Ähnlich sieht es bei Artikel 8 aus, der den Schutz von Ehe und Familie gewährleistet und natürlich auch für Migranten gilt. Seif meint dazu: „Wenn wir es aber mit einem Wiederholungstäter zu tun haben, der mehrere Straftaten im mittleren Bereich begeht, oder mit einem Schwerverbrecher, dann muss hier auch die Möglichkeit bestehen, ihn außer Landes zu bringen, selbst wenn er Familie in Deutschland hat.“ Dies zeigt eine klare Haltung, die über reine Schlagworte hinausgeht und konkrete Fälle beleuchtet.
Reformbedarf bei der Auslegungsweise
Unionsfraktionsvize Günter Krings (CDU) schloss sich der Forderung nach Neuerungen an. „Bei der Europäischen Menschenrechtskonvention sehe ich Reformbedarf, gegebenenfalls auch über ein neues Zusatzprotokoll“, sagte er der „Welt“. Seiner Meinung nach könnten die Vertragsstaaten genauer definieren, welche Fälle vom Verbot erniedrigender Behandlung umfasst sind. Krings warnt, dass notwendige Anpassungen die Akzeptanz der Konvention untergraben würden, wenn sie blockiert würden. Dies ist ein wichtiger Punkt, da Gerichte oft auf solchen Interpretationsspielräumen basieren, was zu Fällen führen kann, die als ungerecht empfunden werden. Hier findet sich auch eine Parallele zu Diskussionen über die Flexibilität von Regeln, wie etwa bei Änderungen der Rentenregeln.
Kritik von der SPD
Aus den Reihen der SPD kommt indes deutliche Kritik. Gabriela Heinrich, Sprecherin für Menschenrechte und humanitäre Hilfe, äußerte gegenüber der „Welt“, dass seit Jahresbeginn ein stetiger Druck zahlreicher Staaten auf den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) zu verzeichnen sei. Der EGMR ist die Instanz, die über die Einhaltung der Konvention wacht. „Die nun geplante politische Erklärung für eine Neujustierung der Menschenrechte im Kontext der Migration ist ein Angriff auf die richterliche Unabhängigkeit und damit auf die Glaubwürdigkeit des Gerichtshofs insgesamt“, so Heinrich.
Der Ball rollt weiter. Am 10. Dezember hatten 27 europäische Staaten, darunter 19 EU-Länder, eine Diskussion über die Auslegung der Menschenrechtskonvention angestoßen, um mehr Handlungsspielraum in Migrationsfragen zu erzielen. Laut Erklärung müsse bei der Bewältigung von Migrationsherausforderungen ein Gleichgewicht zwischen individuellen Rechten von Migranten und den öffentlichen Interessen an Sicherheit und Freiheit hergestellt werden. Deutschland hat sich dieser Position bisher nicht angeschlossen. Ein Beschluss über eine politische Erklärung zu Migration und Menschenrechtskonvention durch alle Europaratsmitglieder ist bis Mai 2027 angesetzt.
(Mit Material der dts Nachrichtenagentur erstellt)


