Klingbeil kündigt langes Reformprogramm an

Lars Klingbeil bei T-Online: Deutschland steht vor einem Reformmarathon

Bundesfinanzminister Lars Klingbeil (SPD) prognostiziert eine Ära tiefgreifender Reformen für Deutschland. Im Gespräch mit T-Online betonte er, dass die Bewältigung des Haushaltslochs und struktureller Herausforderungen nicht ohne Opfer erfolgen kann, forderte jedoch eine gerechte Verteilung der Lasten.
Lars Klingbeil bei T-Online: Deutschland steht vor einem Reformmarathon
Lars Klingbeil bei T-Online: Deutschland steht vor einem Reformmarathon
Lars Klingbeil (Archiv), via dts Nachrichtenagentur

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Bundesfinanzminister und Vizekanzler (SPD) hat in einem Interview mit dem Nachrichtenportal T-Online die Bürger auf eine ausgedehnte Periode von Reformen vorbereitet. Er sprach von einem „Marathon der Reformen“, der vor Deutschland liege.

Mit dieser Formulierung grenzte sich Klingbeil explizit von der Idee eines „Herbsts der Reformen“ ab, wie sie CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann ins Spiel gebracht hatte. Klingbeil erklärte, dass ihm dieser Ansatz nicht ambitioniert genug sei, da beispielsweise der Bürokratieabbau und die Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren die gesamte Legislaturperiode in Anspruch nehmen würden.

Gleichzeitig stellte der Finanzminister klar, dass Einschnitte für die Bürger unvermeidlich seien. Er sei davon überzeugt, dass die Bürger die Notwendigkeit von Veränderungen verstünden und akzeptierten, dass ein Haushaltsdefizit von über 30 Milliarden Euro im Jahr 2027 nicht ohne Konsequenzen geschlossen werden könne. Das Leben habe sich fundamental gewandelt, und die Politik dürfe nicht so tun, als könne alles wie gewohnt weiterlaufen. Als Sozialdemokrat betonte Klingbeil jedoch die Wichtigkeit einer gerechten Gestaltung dieser Reformen, um einen Vertrauensverlust zu vermeiden, falls der Eindruck entstünde, nur ein Teil der Gesellschaft trage seinen Beitrag.

Klingbeil bekräftigte seine Absicht, auch mit sehr hohen Einkommen und Vermögen steuerlich stärker zu belasten. Er werde darauf drängen, dass alle ihren Anteil leisteten. Ein mögliches „gemeinsames Paket“ von Union und SPD stellte er sich als eine Kombination aus Sozialreformen und Steuererhöhungen vor. Die SPD werde Sozialreformen beim Bürgergeld und in den Sozialsystemen vorantreiben, erwarte aber im Gegenzug, dass vermögende Bürger ihren Beitrag leisteten.

In diesem Kontext äußerte Klingbeil auch Kritik an Altkanzlerin (CDU). Er warf ihrer 16-jährigen Amtszeit vor, eine Politik verfolgt zu haben, die niemandem etwas zumuten wollte – die „Quittung“ dafür bekäme man nun. Die Ereignisse der letzten fünf Jahre, von der Pandemie bis zum Krieg in Europa, hätten Hunderte Milliarden Euro gekostet und Deutschland in einer wirtschaftlichen Schwächephase getroffen, was sich im Haushalt niederschlage. Klingbeil appellierte an Politik und Bevölkerung: „Wir können uns nicht mehr durchmogeln. Wenn wir wollen, dass Deutschland ein starkes Land bleibt, brauchen wir jetzt Veränderung.“

Zudem kritisierte er die Union für mangelnde Vertragstreue. Eine „gewisse Vielstimmigkeit“ innerhalb der Union schwäche die Erfolge der Bundesregierung, so Klingbeil, der forderte, getroffene Absprachen nicht nachträglich zu torpedieren.

Hintergrund dieser Kritik war unter anderem die jüngste Stellungnahme der Union zum gemeinsam im Kabinett beschlossenen Wehrdienstgesetz von Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD). CSU-Chef Markus Söder hatte Pistorius‘ Freiwilligen-Ansatz als „Wischiwaschi-Wehrpflicht“ bezeichnet.

Klingbeil widersprach dem scharf. Er verwies auf eine klare Absprache im Koalitionsvertrag zum Wehrdienst, die zunächst auf Freiwilligkeit setze und junge Menschen über Anreize für die Bundeswehr gewinnen wolle – ein Ansatz, den er für richtig befand.

Das Argument der Union, das Wehrdienstgesetz aufgrund russischer Drohnen über Deutschland anzupassen, wies Klingbeil zurück. Er betonte, es gehe hierbei um etwas Grundsätzlicheres: Das Aufmachen bereits ausgehandelter Kompromisse müsse aufhören. Er zog den Vergleich, dass Markus Söder wohl auch nicht wünsche, dass er die Mütterrente öffentlich infrage stelle. Vertragstreue müsse für alle gelten.

(Mit Material der dts Nachrichtenagentur erstellt)

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