Lannert und Bootz auf Spurensuche

Tatort heute: “Lass sie gehen“ – Mord, Geheimnisse und düstere Abgründe in der schwäbischen Provinz

Foto: © SWR/Benoît Linder
Auf der Suche nach Freunden der toten Studentin: Sebastian Bootz (Felix Klare) ermittelt im Stuttgarter Nachtleben.

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Ein emotionaler Tatort aus Stuttgart: „Lass sie gehen“ entführt die Zuschauer in die beklemmende Welt der schwäbischen Provinz. Was zunächst wie ein klassischer Kriminalfall beginnt, entwickelt sich zu einer intensiven Studie über Trauer, Schuld und zerrüttete Familienbande. Mit einem fesselnden Plot und einem überraschenden Ende zählt dieser Film zu den Highlights der aktuellen Tatort-Saison.

Das Leben von Hanna Riedle: Ein geplatzter Traum

Hanna Riedle, die junge Wirtstochter aus einem kleinen Dorf auf der Schwäbischen Alb, träumte von einem anderen Leben. Ihr Alltag war vorbestimmt: Verlobt mit der Jugendliebe, eingeplant als Nachfolgerin im elterlichen Gasthof. Doch Hanna entschied sich für die Freiheit. Sie zog nach Stuttgart, um eine Ausbildung als Tischlerin zu machen, und ließ ihr altes Leben hinter sich.

Auch Emma Riedle (Irene Böhm) war wegen des Wegzugs ihrer Schwester tief verletzt und fühlte sich im Stich gelassen. Mit Thorsten Lannert (Richy Müller,l.) und Sebastian Bootz (Felix Klare) will sie am liebsten gar nicht reden.
Auch Emma Riedle (Irene Böhm) war wegen des Wegzugs ihrer Schwester tief verletzt und fühlte sich im Stich gelassen. Mit Thorsten Lannert (Richy Müller,l.) und Sebastian Bootz (Felix Klare) will sie am liebsten gar nicht reden.
© SWR/Benoît Linder

Nur wenige Wochen später wurde sie tot aufgefunden – erwürgt in einem Waldstück. Der Schock sitzt tief, nicht nur in ihrer Familie, sondern auch in der verschworenen Dorfgemeinschaft. Was war der Auslöser für diese Tragödie? Die Kommissare Lannert (Richy Müller) und Bootz (Felix Klare) machen sich auf den Weg, um Antworten zu finden.

In einem Club hat Sebastian Bootz (Felix Klare, Mitte) Pia (Hanna Elischer), die beste Freundin des Opfers gefunden, die zusammenbricht, als sie die Nachricht vom Tod ihr Freundin hört.
In einem Club hat Sebastian Bootz (Felix Klare, Mitte) Pia (Hanna Elischer), die beste Freundin des Opfers gefunden, die zusammenbricht, als sie die Nachricht vom Tod ihr Freundin hört.
© SWR/Benoît Linde

Eine Dorfgemeinschaft voller Geheimnisse

Das Dorf, in das die Ermittler eintauchen, scheint wie aus der Zeit gefallen. Hier kennt jeder jeden, und die Fassade der Idylle bröckelt schnell. Hannas Mutter Luise (Julika Jenkins) kämpft mit der Scham, dass ihre Tochter das Leben auf der Alb ablehnte. Ihre Verzweiflung gipfelt in einer verstörenden Szene: Sie versucht, ihre Trauer buchstäblich mit selbstgemachten Klößen zu ersticken – ein Moment, der gleichermaßen surreal und erschütternd ist.

Luise Riedle (Julia Jenkins) hat feste Vorstellungen, wie etwas zu laufen hat und bringt ihren Mann dazu, sich dem anzupassen. Auch bei der Beerdigung der Tochter.
Luise Riedle (Julia Jenkins) hat feste Vorstellungen, wie etwas zu laufen hat und bringt ihren Mann dazu, sich dem anzupassen. Auch bei der Beerdigung der Tochter.
© SWR/Benoît Linder

Hannas Vater Hannes (Moritz Führmann) ist von Trauer und Wut geplagt, während ihre jüngere Schwester Emma (Irene Böhm) unter dem Druck steht, Hannas Rolle im Dorf und in der Familie auszufüllen. Doch die Tragödie bringt nicht nur die Familie, sondern auch die Dorfgemeinschaft aus dem Gleichgewicht. Eifersucht, Misstrauen und alte Ressentiments treten an die Oberfläche.

Verdächtige und dunkle Abgründe

Der Mord an Hanna lenkt die Aufmerksamkeit der Ermittler schnell auf zwei Verdächtige. Zum einen Martin Gmähle (Sebastian Fritz), Hannas Ex-Verlobter, der nicht akzeptieren konnte, dass sie ihn verließ. „Ich habe alles für sie getan“, sagt er unter Tränen – doch seine Taten sprechen eine andere Sprache. Seine Eifersucht und seine Bemühungen, Hanna zurückzugewinnen, werfen Fragen auf.

Martin Gmähle (Sebastian Fritz) war von Hanna verlassen worden.
Martin Gmähle (Sebastian Fritz) war von Hanna verlassen worden.
© SWR/Benoît Linder

Zum anderen gerät Marek Gorsky (Timocin Ziegler), ein alter Schulfreund und heimlicher Verehrer, ins Visier. Marek, der trotz einer schwangeren Freundin von Hanna besessen war, hatte sie gestalkt. Als Lannert ihn verhören will, eskaliert die Situation: Marek versucht zu fliehen und verletzt den Kommissar. Diese Aktion macht ihn zur Zielscheibe der Dorfgemeinschaft. Ein wütender Mob formiert sich, entschlossen, selbst Gerechtigkeit zu üben.

Im Dorf hat sich eine öffentliche Meinung gebildet und einen Schuldigen ausgemacht, gegen den nun vorgegangen werden soll.
Im Dorf hat sich eine öffentliche Meinung gebildet und einen Schuldigen ausgemacht, gegen den nun vorgegangen werden soll.
© SWR/Benoît Linder

Ein , der unter die Haut geht

„Lass sie gehen“ besticht durch seine dichte Atmosphäre und die beklemmende Darstellung einer zerrissenen Dorfgemeinschaft. Regisseur Andreas Kleinert verzichtet auf unnötige Effekte und setzt stattdessen auf intensive Charakterstudien. Der leise Trommelwirbel, der die Spannung begleitet, unterstreicht die düstere Stimmung perfekt.

Die Ermittler Lannert und Bootz überzeugen mit gewohnt starker Präsenz, ohne dabei die Dorfbewohner in den Hintergrund zu drängen. Besonders die Flashbacks mit Hanna fügen der Handlung eine emotionale Tiefe hinzu, die den Zuschauer mitten ins Geschehen zieht. Am Ende überrascht der Film mit einer Wendung, die an klassische Columbo-Folgen erinnert: Ein unscheinbares Detail entlarvt den Täter und zeigt, wie vielschichtig der Titel „Lass sie gehen“ ist.

Sebastian Bootz (Felix Klare,l.) und Thorsten Lannert (Richy Müller) bei einer Befragung in der Stadtbibliothek.
Sebastian Bootz (Felix Klare,l.) und Thorsten Lannert (Richy Müller) bei einer Befragung in der Stadtbibliothek.
© SWR/Benoît Linder

Kritik: Zwischen Stereotypen und düsterer Atmosphäre

Der neue Stuttgarter „Tatort“ wirft einen kritischen Blick auf die ländliche Idylle, lässt dabei jedoch keine Klischees aus. Das Dorf auf der Schwäbischen Alb wird als engstirnig, bigott und fremdenfeindlich dargestellt – ein trostloser Kontrast zur Großstadt , in die Hanna geflüchtet war. Drehbuchautor Jürgen Hartmann und Regisseur Andreas Kleinert bedienen sich bewusst dieser Stereotype, um die beklemmende Atmosphäre zu unterstreichen, was allerdings nicht bei allen Zuschauern auf Zustimmung stoßen dürfte.

Fazit: Einschalten lohnt sich

„Lass sie gehen“ zählt zu den stärksten Tatorten der Saison. Mit einem emotionalen Plot, tiefgehenden Charakteren und einem überraschenden Ende setzt der SWR neue Maßstäbe. Der Film ist nicht nur ein spannender Krimi, sondern auch eine beklemmende Studie über Schuld, Trauer und Vergebung. Einschalten lohnt sich: Sonntag, 17.11., um 20:15 Uhr im Ersten.

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