Sie starben so, wie sie lebten: Seite an Seite
Die Kessler-Zwillinge sind tot. Wie „Bild“ berichtet starben Alice und Ellen gemeinsam in München. Wie berichtet wird, soll es einen Kripo-Einsatz gegeben haben. Bestätigt ist: Die berühmten Entertainerinnen wurden 89 Jahre alt und starben – wie sie es selbst zu Lebzeiten gewünscht hatten – zusammen.
Bereits 2024 sagten sie in einem Interview mit Bild, dass sie eines Tages „in derselben Urne“ beigesetzt werden möchten, gemeinsam mit der Asche ihrer Mutter Elsa und ihres Hundes Yello. Eine testamentarisch festgehaltene Entscheidung, die ihren Lebensweg spiegelt: unzertrennlich von Kindheit an bis zum Ende.
Von der DDR ins Rampenlicht der Welt
Geboren wurden Alice und Ellen Kessler am 20. August 1936 in Nerchau (Sachsen). Ihre Eltern förderten ihre künstlerische Begabung früh, schickten sie mit sechs Jahren zum Ballettunterricht.
1947 wurden sie ins Kinderballett der Oper Leipzig aufgenommen, 1950 bestanden sie die Aufnahmeprüfung zur Operntanzschule.
1952 gelang ihnen ein entscheidender Schritt: Über ein Besuchervisum flohen sie aus der DDR in die Bundesrepublik und folgten ihrem Vater nach Düsseldorf. Dort erhielten sie ihr erstes Engagement im Revuetheater Palladium – der Beginn einer Weltkarriere.
Durchbruch im Pariser Lido und internationale Shows
1955 sah sie der Direktor des Pariser Lido und verpflichtete die Zwillinge an das berühmte Varieté auf den Champs-Élysées. Dort wurden sie zu Stars: Synchron, charmant, makellos im Tanz – und mit einem Image, das sie bald zur Marke machte.
1960 gingen sie nach Italien, wo sie als erste Frauen im Fernsehen ihre Beine zeigen durften – in blickdichten Strumpfhosen. Ihr Familienname wurde für den internationalen Auftritt von „Kaessler“ zu „Kessler“ vereinfacht.
Die Zwillinge traten in Frankreich, Italien und den USA auf, standen mit Weltstars wie Frank Sinatra, Burt Lancaster und Elvis Presley auf einer Bühne und galten in den 1960ern zeitweise als die „schönsten Frauen der Welt“.

Foto: Jack de Nijs für Anefo – http://proxy.handle.net/10648/ab1b35c4-d0b4-102d-bcf8-003048976d84, CC0, Link
Film, Fernsehen und ein unverwechselbarer Stil
Ihre Filmkarriere begann 1955 mit der Komödie „Solang‘ es hübsche Mädchen gibt“. Es folgten Produktionen wie
- „Vier Mädels aus der Wachau“ (1957)
- „Der Graf von Luxemburg“ (1957)
- „Die Tote von Beverly Hills“ (1964)
Parallel entwickelten sie sich zu gefragten TV-Gästen – sowohl in Deutschland als auch international. Auftritte in der Perry Como Show, der Rolf Harris Show und zahlreichen europäischen TV-Sendungen festigten ihren Status als Unterhaltungskünstlerinnen mit Wiedererkennungswert.
Ein Meilenstein ihrer Theaterkarriere war 1976 die gemeinsame Darstellung der „Anna I“ und „Anna II“ im Brecht/Weill-Ballett „Die sieben Todsünden“ am Münchner Gärtnerplatztheater – ein kunstvoll inszeniertes Doppelspiel, wie es nur eineiige Zwillinge ausfüllen konnten.
Musik, Charts und der Durchbruch mit Peter Kraus
Ab 1958 begann ihre Schallplattenkarriere. Viele ihrer frühen Songs blieben zunächst unauffällig – bis sie zusammen mit Peter Kraus ein Trio bildeten.
Drei Titel schafften es in die deutschen Charts, darunter das erfolgreiche „Honey Moon“ (Platz 15). Darüber hinaus nahmen sie Platten in französischer und italienischer Sprache auf.
Ihr italienischer Hit „Da-da-um-pa“ wurde zur Titelmelodie der RAI-Serie Studio Uno und festigte ihren Ruhm in Italien.
Ikonen einer Ära – und bis ins hohe Alter präsent
In den 1980er-Jahren ließen sie sich für die italienische Ausgabe des „Playboy“ fotografieren – die Ausgabe war schnell ausverkauft.
Viele Jahre lebten die Kesslers in Grünwald, wo sie gemeinsam ein Haus bewohnten.
Selbst später standen sie für TV-Produktionen vor der Kamera, etwa in
- „Tatort – Das Dorf“ (2011)
- „Dahoam is Dahoam“ (2014)
- „Ringlstetter“ (2022)
2015 spielten sie im Musical „Ich war noch niemals in New York“ mit – erstmals getrennt voneinander auf der Bühne, wie die Leipziger Volkszeitung damals betonte.
Ausgezeichnet und verehrt – bis zuletzt
Die Kessler-Zwillinge erhielten zahlreiche Preise, darunter
- die Goldene Rose von Montreux,
- das Bundesverdienstkreuz am Bande (1987),
- den Premio Capo Circe für deutsch-italienische Verständigung
und 2025 den Bayerischen Verdienstorden.
Ihr Geburtsort Nerchau ernannte sie 2006 zu Ehrenbürgerinnen – ein Zeichen ihrer außergewöhnlichen Bedeutung.
Ein Leben im Gleichklang – und ein gemeinsamer Abschied
Alice und Ellen Kessler lebten mehr als acht Jahrzehnte im Gleichschritt: auf der Bühne, im Fernsehen, im Ausland und privat. Ihre Statement von 2024 – „Im Tode vereint“ – wurde nun Wirklichkeit.
Mit ihrem Tod endet ein Kapitel deutscher Unterhaltungs- und Showgeschichte, das von Professionalität, Extravaganz, Disziplin und einer unnachahmlichen Geschwisterbindung geprägt war.

