Bundesfamilienministerin Lisa Paus betont die Notwendigkeit, den Jugendlichen zuzuhören: „Junge Menschen sind besorgt, aber sie bleiben optimistisch. Wir müssen ihre Perspektiven ernst nehmen, um gemeinsam eine lebenswerte Zukunft zu schaffen.“
Jugendliche zwischen Frust und Hoffnung: Die erschütternde Wahrheit
Trotz der prägenden Krisen bleibt die Mehrheit der jungen Menschen in Deutschland zuversichtlich. Die Shell Jugendstudie 2024 zeigt aber auch, dass rund 12 % der Jugendlichen sich als „verdrossen und unzufrieden“ bezeichnen. Diese Gruppe ist oft kritisch gegenüber Staat und Gesellschaft eingestellt und gehört eher zu den sogenannten Modernisierungsverlierern. Jugendliche mit einem niedrigeren Bildungsabschluss oder einem geringeren sozioökonomischen Hintergrund gehören häufiger zu dieser Gruppe, da sie sich oft benachteiligt und abgehängt fühlen. Die Mehrheit der Jugendlichen jedoch steht positiv zu Staat und Gesellschaft und sieht für sich große Zukunftschancen. Prof. Dr. Mathias Albert, Studienleiter, erklärt: „Die verdrossenen Jugendlichen prägen keinesfalls die ganze Generation. Viele junge Menschen sind bereit, sich aktiv einzubringen und haben klare Vorstellungen davon, wie sie die Gesellschaft mitgestalten wollen.“
Heiße Eisen: Krieg, Verantwortung und die klare Meinung der Jugend
Die Shell Jugendstudie untersucht auch die Haltung der Jugendlichen zu internationalen Krisen. Die große Mehrheit spricht sich klar für die NATO und gegen den russischen Angriffskrieg in der Ukraine aus. Dabei sind Jugendliche in den westlichen Bundesländern oft positiver gegenüber militärischer Unterstützung eingestellt als ihre Altersgenossen im Osten. Diese Unterschiede spiegeln sich auch in anderen politischen Fragestellungen wider. Beim Israel-Gaza-Konflikt zeigt sich ein gemischtes Bild: Etwa ein Drittel der Jugendlichen steht klar auf der Seite Israels, während ein weiteres Drittel unentschieden ist. Viele Jugendliche betonen jedoch, dass sie sich eine friedliche Lösung und eine Deeskalation der Konflikte wünschen, um langfristig Stabilität zu gewährleisten.
Darüber hinaus zeigt die Studie, dass Jugendliche durchaus die Verantwortung Deutschlands in internationalen Konflikten kritisch betrachten. So ist zwar eine Mehrheit für die militärische Unterstützung der Ukraine, doch gibt es auch starke Stimmen, die darauf hinweisen, dass Friedensbemühungen und diplomatische Lösungen mehr Gewicht erhalten sollten. Bei Jugendlichen aus den neuen Bundesländern ist die Skepsis gegenüber militärischen Einsätzen generell größer.
Krieg und Armut: Die größten Ängste der Jugend enthüllt!
Angst vor einem Krieg in Europa dominiert die Sorgen der Jugendlichen, mehr als 80 % teilen diese Befürchtung. Auch die wirtschaftliche Lage bereitet vielen Jugendlichen Sorgen, insbesondere die Möglichkeit einer wachsenden sozialen Ungleichheit und steigender Armut. Junge Menschen aus sozial benachteiligten Verhältnissen fühlen sich besonders von diesen Entwicklungen betroffen. Gleichzeitig sind es vor allem Jugendliche aus ländlichen Gebieten und den neuen Bundesländern, die ängstlicher sind, was ihre Zukunftsperspektiven angeht.
Allerdings zeigen die Ergebnisse auch einen positiven Trend: Die Angst vor Arbeitslosigkeit oder fehlenden Ausbildungsplätzen ist im Vergleich zu früheren Erhebungen gesunken. Nur noch etwa ein Drittel der Jugendlichen nennt diese Sorgen. Prof. Albert kommentiert dazu: „Das ist in unserer Zeitreihe ein historischer Tiefstand.“ Besonders in urbanen Gebieten gibt es ein wachsendes Vertrauen in die Chancen des Arbeitsmarktes und die eigenen Möglichkeiten, eine erfolgreiche berufliche Laufbahn einzuschlagen. Auch das Vertrauen in die Zukunft der Umwelt hat sich leicht verbessert, obwohl immer noch eine Mehrheit von zwei Dritteln der Jugendlichen sich um den Klimawandel und die Umweltverschmutzung sorgt.
Toleranz und Vertrauen: Warum unsere Jugend uns Hoffnung gibt
Trotz aller Herausforderungen bleiben die Jugendlichen optimistisch und tolerant. Die Studie zeigt, dass die Mehrheit der jungen Menschen eine positive Einstellung zum Staat und zu sozialen Gruppen hat. Toleranzquoten von bis zu 95 % gegenüber verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen sind keine Seltenheit. Jugendliche sind in der Regel sehr offen gegenüber Menschen unterschiedlicher Herkunft, sexueller Orientierung und Religion. Besonders beeindruckend ist die hohe Akzeptanz gegenüber LGBTQ+-Personen, Menschen mit Migrationshintergrund und anderen Minderheiten.
Zudem ist das Vertrauen in Institutionen wie das Bundesverfassungsgericht, die Polizei und die Europäische Union in den letzten 20 Jahren sogar gewachsen. Prof. Dr. Gudrun Quenzel fasst zusammen: „Jugendliche blicken positiv auf die Möglichkeiten, die ihnen Staat und Gesellschaft bieten. Trotz aller Krisen glauben viele junge Menschen daran, dass sie mit ihrer Stimme und ihrem Engagement etwas bewegen können.“
Auch das deutsche Bildungssystem erhält von vielen Jugendlichen positive Bewertungen. Die wachsenden Bildungsangebote und die zunehmende Durchlässigkeit im Bildungssystem haben dazu beigetragen, dass Jugendliche zuversichtlicher geworden sind, ihre angestrebten Abschlüsse zu erreichen. Gleichzeitig bleibt die soziale Herkunft jedoch ein bedeutender Faktor: Jugendliche aus bildungsnahen Familien haben weiterhin bessere Chancen auf höhere Bildungsabschlüsse. Hier sehen viele Befragte noch große Handlungsbedarfe, um Chancengerechtigkeit zu fördern.
Die Shell Jugendstudie erscheint seit 1953 und widmet sich den Lebenswelten der 12- bis 25-Jährigen – von Berufswünschen über politische Einstellungen bis hin zu sozialen Herausforderungen. In Zeiten wie diesen bleibt ihre Botschaft: Junge Menschen sind besorgt, bleiben aber pragmatisch und hoffen auf eine bessere Zukunft.