Für den ohnehin angespannten Konzern könnte dies ein weiterer Rückschlag werden. Denn bereits jetzt steht Lufthansa vor einem Spagat zwischen Kostensenkung, Digitalisierung und den Erwartungen der Belegschaft.
88 Prozent für den Streik
Die Zahlen sprechen eine klare Sprache: Rund 90 Prozent der Piloten beteiligten sich an der Urabstimmung, berichtet die Gewerkschaft Vereinigung Cockpit (VC). Von ihnen votierten 88 Prozent der Lufthansa-Piloten und sogar 96 Prozent der Cargo-Piloten für einen Arbeitskampf. Damit ist das Quorum von 70 Prozent weit übertroffen.
„Die Altersvorsorge ist ein zentrales Fundament der Lebensplanung für Pilotinnen und Piloten – mindestens genauso wichtig wie die gesetzliche Rente“, betonte Arne Karstens, Sprecher der Tarifkommission. Das Mandat erlaubt es VC, „bei Bedarf alle notwendigen Maßnahmen bis hin zu Arbeitskampfmaßnahmen“ einzuleiten. Ob und wann es tatsächlich zu einem Streik kommt, bleibt offen.
Streitpunkt Altersvorsorge: Millionenfrage für den Konzern
Im Mittelpunkt des Konflikts steht die betriebliche Altersvorsorge. Die rund 4.800 Pilotinnen und Piloten fordern eine deutliche Aufstockung des Arbeitgeberanteils. Ursprünglich verlangte VC eine Verdreifachung, später reduzierten die Gewerkschafter ihre Forderung in sieben Gesprächsrunden – doch eine Einigung wurde nicht erzielt.
Lufthansa-Chef Jens Ritter lehnt die Forderungen ab. Seine Begründung: Die Altersversorgung sei „ohnehin schon sehr gut“ und könne nicht noch weiter aufgestockt werden. Für die Gewerkschaft hingegen geht es um Sicherheit und Planbarkeit. „Wir erwarten nun, dass Lufthansa die Signale der Belegschaft ernst nimmt und endlich ein verhandlungsfähiges Angebot zur betrieblichen Altersversorgung vorlegt“, so Karstens.
Damit prallen zwei Positionen hart aufeinander: Auf der einen Seite ein Konzern, der nach eigenen Angaben sparen muss, auf der anderen Seite eine Berufsgruppe, die ihre Altersabsicherung gefährdet sieht.
Sanierungsdruck: 4000 Stellen sollen weg
Der Konflikt fällt in eine Phase grundlegender Veränderungen. Erst vor wenigen Tagen hatte Lufthansa angekündigt, bis 2030 rund 4.000 Stellen in der Verwaltung zu streichen. Begründet wird dies mit Digitalisierung, Automatisierung und dem Einsatz Künstlicher Intelligenz. Damit will der Konzern Abläufe effizienter gestalten und Kosten reduzieren.
Die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi kritisierte das Vorhaben scharf. Von einem „Kahlschlag“ war die Rede. Rund 20.000 Beschäftigte am Boden sind von den geplanten Veränderungen betroffen. In den kommenden Tarifrunden will Verdi über Modelle wie Altersteilzeit verhandeln, um betriebsbedingte Kündigungen zu verhindern.
Outsourcing-Pläne: Piloten in Tochtergesellschaften gedrängt
Parallel verfolgt Lufthansa eine Strategie, die für zusätzlichen Zündstoff sorgt: Kurz- und Mittelstreckenflüge sollen verstärkt von Tochtergesellschaften wie Discover und City Airlines übernommen werden. Ziel ist es, Kosten zu senken – unter anderem durch geringere Gehälter als im Lufthansa-Kern.
Bis 2030 soll laut Vorstand bereits die Hälfte der Kurz- und Mittelstreckenjets von solchen Gesellschaften betrieben werden. Das bedeutet auch für viele Pilotinnen und Piloten: Verlagerung ihrer Arbeitsplätze zu deutlich schlechteren Konditionen.
Sowohl die VC als auch die Flugbegleitergewerkschaft Ufo wehren sich gegen diese Strategie. Doch hier haben die Gewerkschaften ein Problem: Gegen unternehmerische Entscheidungen darf in Deutschland nicht gestreikt werden, da sie nicht Bestandteil von Tarifverträgen sind.
Erinnerung an 2022: Was ein Streik bedeuten würde
Die letzte größere Arbeitsniederlegung liegt noch nicht lange zurück: Im Jahr 2022 legten die Lufthansa-Piloten für einen Tag ihre Arbeit nieder. Das Ergebnis war dramatisch: Weite Teile des Flugplans mussten gestrichen werden, zehntausende Passagiere strandeten.
Sollte es diesmal zu einem länger andauernden Streik kommen, wären die Auswirkungen noch gravierender. Schon wenige Tage könnten Milliardenverluste verursachen, Kundenbeziehungen belasten und den ohnehin schwierigen Sanierungsprozess ins Wanken bringen.
Analyse: Ein Tarifkonflikt mit Symbolcharakter
Der aktuelle Streit ist mehr als eine Auseinandersetzung über Rentenpunkte. Er steht sinnbildlich für den Transformationsdruck in der Luftfahrt:
- steigende Kosten,
- Erwartungen der Belegschaften nach Sicherheit,
- Outsourcing-Strategien,
- und die Suche nach Effizienz in einem hochkompetitiven Markt.
Für Lufthansa bedeutet dies ein Balanceakt zwischen Wettbewerbsfähigkeit und sozialer Verantwortung. Für die Gewerkschaften hingegen ist es eine Frage der Glaubwürdigkeit: Wer einmal zu große Abstriche bei der Altersvorsorge akzeptiert, läuft Gefahr, dauerhaft Nachteile für die Belegschaft einzuräumen.
Was jetzt passieren könnte
Noch hat die VC keinen Streiktermin genannt. Die Tarifkommission wird in den kommenden Wochen über das Vorgehen beraten. Möglich ist eine Eskalation, falls Lufthansa bei den nächsten Gesprächen kein neues Angebot vorlegt.
Für den Konzern könnte ein Arbeitskampf zur Unzeit kommen: Parallel laufen große Investitions- und Restrukturierungsprogramme. Ein längerer Streik würde diese Pläne erheblich belasten – und die Lufthansa in einer ohnehin schwierigen Phase zusätzlich schwächen.