Diese Ablagerungen könnten chronische Entzündungen auslösen und das Risiko für neurodegenerative Erkrankungen erhöhen. Gleichzeitig zeigt die Studie, dass mRNA-Impfstoffe die Spike-Protein-Anreicherung deutlich verringern können – eine Hoffnung, aber keine vollständige Lösung. Warum diese Entdeckung ein Wendepunkt im Kampf gegen Long COVID sein könnte, erfahren Sie hier.
Spike-Protein sammelt sich im Gehirn an
Forschende unter Leitung von Prof. Ali Ertürk entwickelten eine KI-gestützte Bildgebungstechnik, die das SARS-CoV-2-Spike-Protein sichtbar macht. Diese innovative Methode zeigt, wie das Protein in den schützenden Hirnhäuten und dem Knochenmark des Schädels abgelagert wird – und das selbst Jahre nach der Infektion. „Unsere Daten deuten darauf hin, dass das persistierende Spike-Protein an den Grenzen des Gehirns zu den langfristigen neurologischen Effekten von COVID-19 und Long COVID beitragen könnte“, erklärt Ertürk.
Besonders betroffen sind Regionen mit vielen ACE2-Rezeptoren, an die das Spike-Protein bindet. Laut Erstautor Dr. Zhouyi Rong macht diese Bindung das Gewebe besonders anfällig. Die Studie, veröffentlicht im Fachjournal Cell Host & Microbe, weist zudem darauf hin, dass diese Ablagerungen eine beschleunigte Gehirnalterung hervorrufen könnten – mit einem Verlust von fünf bis zehn Jahren gesunder Gehirnfunktion.
Impfstoffe als Schutz gegen langfristige Schäden
Ein Hoffnungsschimmer: mRNA-Impfstoffe wie der von BioNTech/Pfizer reduzieren die Anreicherung des Spike-Proteins im Gehirn um etwa 50 %. Geimpfte Mäuse zeigten niedrigere Konzentrationen des Proteins in Hirnhäuten und Knochenmark als ungeimpfte. „Diese Reduktion ist ein wichtiger Schritt, aber sie reicht nicht aus, um die langfristigen Belastungen vollständig zu bewältigen“, betont Ertürk. Weitere Studien sollen nun klären, inwieweit diese Ergebnisse auf den Menschen übertragbar sind.
Trotz Impfungen bleibt ein Restrisiko für chronische Entzündungen und damit verbundene neurologische Erkrankungen wie Schlaganfälle. Dies unterstreicht die Notwendigkeit neuer Therapien, um die gesundheitlichen Folgen von Long COVID langfristig zu minimieren.
Long COVID: Eine globale Herausforderung
Weltweit könnten etwa 400 Millionen Menschen von Long COVID betroffen sein – eine gewaltige Herausforderung für Gesundheitssysteme. „Das ist nicht nur ein individuelles Gesundheitsproblem – es ist eine gesellschaftliche Herausforderung“, sagt Ertürk. Die langfristigen Folgen wie Gehirnentzündungen und Schlaganfälle belasten nicht nur die Betroffenen, sondern auch die öffentliche Gesundheit massiv.
Die Ergebnisse der Studie eröffnen jedoch auch neue Möglichkeiten. Mit Tests zur Identifizierung von Spike-Proteinen in Gehirnflüssigkeit oder Blut könnten neurologische Schäden frühzeitig diagnostiziert werden. „Unsere Erkenntnisse ermöglichen gezieltere Therapien und Biomarker, um neurologische Beeinträchtigungen durch COVID-19 besser zu behandeln oder sogar zu verhindern“, erklärt Ertürk.
Fortschritte in der Diagnostik und Therapie
Im Gegensatz zu Gehirngewebe sind das Knochenmark des Schädels und die Hirnhäute leichter zugänglich. Diese Erkenntnis könnte den Weg für neue diagnostische Verfahren ebnen. Mit spezifischen Protein-Panels könnten Entzündungsmarker frühzeitig nachgewiesen werden. Prof. Ulrike Protzer von der Technischen Universität München unterstreicht die Bedeutung der Studie: „Diese Ergebnisse sind nicht nur wissenschaftlich wegweisend, sondern auch von großer gesellschaftlicher Relevanz.“
Die Entdeckung der langfristigen Auswirkungen des SARS-CoV-2-Spike-Proteins markiert einen Wendepunkt in der Forschung zu Long COVID. Sie zeigt, wie wichtig gezielte Therapien und präventive Maßnahmen sind, um die gesundheitlichen Folgen der Pandemie einzudämmen.