In Ulm ragt der höchste Kirchturm der Welt stolze 161,53 Meter in den Himmel und im rund 120 Kilometer entfernten Villingen-Schwenningen / Marbach erhebt sich der wohl kleinste Kirchturm der Welt – gerade einmal 3,80 Meter hoch.
Zwei Bauwerke, die gegensätzlicher kaum sein könnten: Hier gotischer Gigantismus, dort schlichte Moderne. Und dennoch erzählen sie beide viel über den Glauben, den Zeitgeist und die Architekturgeschichte des Landes.
Das Ulmer Münster: Höchster Kirchturm der Welt und gotisches Meisterwerk
Das Ulmer Münster ist weit mehr als nur ein Wahrzeichen: Es ist ein Symbol für die Geschichte und den Ehrgeiz einer ganzen Stadt. Der Bau begann im Jahr 1377, als Ulm eine freie Reichsstadt und ein bedeutendes Handelszentrum war. Die Bürger wollten ein Gotteshaus schaffen, das die Größe und den Reichtum ihrer Stadt widerspiegelte – und die großen Kathedralen Europas übertrifft.

Der Bau zog sich über Jahrhunderte hin, unterbrochen von Kriegen, Geldmangel und religiösen Umbrüchen. Erst 1890 wurde das Münster endgültig fertiggestellt – mit einem Triumph: Der Hauptturm erreicht 161,53 Meter und ist damit bis heute der höchste Kirchturm der Welt.
Selbst der Kölner Dom (157,38 Meter) oder die Kathedrale von Rouen bleiben hinter dieser Höhe zurück. Besucher können den Turm bis zur Aussichtsplattform auf 143 Metern erklimmen – allerdings nur, wenn sie bereit sind, 768 enge Stufen zu bewältigen. Die Mühe lohnt sich: Oben wartet ein spektakulärer Panoramablick über Ulm, die Schwäbische Alb und bei klarer Sicht bis zu den Alpen.

Foto: TMBW / Christoph Düpper
Architektonisch gilt der Turm als Meisterwerk der Spätgotik: filigrane Strebebögen, unzählige Maßwerke, zierliche Fialen und steinerne Figuren lassen ihn wie ein gigantisches Kunstwerk wirken. Bis ins 19. Jahrhundert hinein war das Ulmer Münster sogar das höchste Gebäude der Welt – und ist bis heute die größte evangelische Kirche Deutschlands.
Die Versöhnungskirche Marbach: Der kleinste Kirchturm der Welt
Ganz anders, fast unscheinbar, wirkt das zweite Rekordbauwerk, das ebenfalls in Baden-Württemberg steht: die Versöhnungskirche im Stadtteil Marbach von Villingen-Schwenningen, mitten im Schwarzwald.
Die Kirche wurde 1969 eingeweiht – in einer Zeit, in der die evangelische Kirchenarchitektur bewusst neue Wege ging. Statt gotischer Pracht setzte man auf Funktionalität, Klarheit und Gemeinschaft. Das Kirchengebäude ist kantig, sachlich und wirkt eher wie ein moderner Kulturraum als wie ein traditionelles Gotteshaus.

Daneben steht er: der wohl kleinste Kirchturm der Welt. Er ist nur 3,80 Meter hoch, besteht aus einer schlichten Holzkonstruktion mit einer einzelnen Glocke – und erfüllt damit exakt die Definition eines Kirchturms: ein Turm, der zu einer Kirche gehört und eine Glocke beherbergt.
Laut dem Blog schwarzwald.aktuell.eu hat bislang niemand dieser Behauptung widersprochen. Einen offiziellen Eintrag im Guinness-Buch der Rekorde gibt es zwar nicht, doch mit nicht einmal vier Metern ist das kleine Türmchen definitiv rekordverdächtig.
Während der Ulmer Münsterturm schon aus Dutzenden Kilometern Entfernung sichtbar ist, kann man am Marbacher Glockentürmchen fast vorbeilaufen – wenn man nicht gezielt danach sucht. Und genau dieser Kontrast macht ihn so besonders.
Zwei Türme, zwei Welten
Die Unterschiede zwischen beiden Türmen könnten größer kaum sein:
- 161,53 Meter misst der Turm des Ulmer Münsters,
- nur 3,80 Meter der Turm der Versöhnungskirche Marbach.
Das entspricht einem Höhenunterschied von fast 157 Metern – oder bildlich gesprochen: Über 42-mal so hoch wie sein winziger Gegenspieler.
Doch beide Türme spiegeln auf ihre Weise den Geist ihrer Entstehungszeit wider.
- Das Ulmer Münster steht für das Streben nach dem Himmel, für den unerschütterlichen Glauben und das Selbstbewusstsein einer mittelalterlichen Bürgerstadt.
- Die Versöhnungskirche Marbach steht für Bescheidenheit, Pragmatismus und Gemeinschaftssinn der späten 1960er-Jahre, als Kirche vor allem ein offener Ort für alle sein sollte – nicht monumental, sondern nahbar.
Gerade dieser extreme Gegensatz macht den direkten Vergleich so faszinierend: Zwei Bauwerke, die geografisch im selben Bundesland stehen, aber gedanklich in völlig unterschiedlichen Welten entstanden sind.
Geheimtipp: Das Glockenspiel in Marbach
Nur wenige Schritte von der Versöhnungskirche entfernt gibt es noch ein kleines, oft übersehenes Highlight: ein wunderschönes Glockenspiel, das täglich um 7.10 Uhr, 12.10 Uhr und 18.10 Uhr erklingt.
Wer also einen Abstecher nach Marbach plant, kann gleich zwei besondere Erlebnisse verbinden: den kleinsten Kirchturm der Welt und diese charmante musikalische Darbietung mitten im Schwarzwald.
Zwei getrennte Ausflugsziele – nicht an einem Tag kombinierbar
Auch wenn beide Türme in Baden-Württemberg stehen, liegen sie rund 120 Kilometer voneinander entfernt. Für einen einzigen Tagesausflug ist die Kombination daher eher ungeeignet. Stattdessen lohnt es sich, zwei separate Touren einzuplanen:
- Ulm ist ideal für einen ganzen Tag: Das Münster, die Altstadt, die Donaupromenade und viele Museen machen die Stadt zu einem abwechslungsreichen Ziel.
- Marbach bei Villingen-Schwenningen lässt sich perfekt mit einer Tour durch den Schwarzwald verbinden – hier genügt ein kurzer Stopp, um den Mini-Turm und das benachbarte Glockenspiel zu entdecken.
So wird klar: Die beiden extrem unterschiedlichen Türme liegen zwar im selben Bundesland, erzählen aber völlig verschiedene Geschichten – und lassen sich am besten jeweils einzeln erleben.


