Der große Knall: 1961 teilten die Albrecht-Brüder ihr Reich
Wir schreiben das Jahr 1961. Die Brüder Karl und Theo Albrecht haben aus dem kleinen Lebensmittelladen ihrer Mutter in Essen ein florierendes Unternehmen mit rund 300 Filialen und einem beachtlichen Umsatz von etwa 90 Millionen D-Mark gemacht. Doch auf dem Höhepunkt dieses ersten Erfolgs entscheiden sie sich für einen radikalen Schritt: die Aufteilung ihres Imperiums. Theo Albrecht übernahm fortan den Norden Deutschlands mit Sitz in Essen, Karl den Süden mit Zentrale in Mülheim an der Ruhr. Der Name „Aldi“ (kurz für Albrecht-Diskont) wurde erst 1962, nach der Trennung, eingeführt.
Warum die Trennung? Die Gerüchteküche brodelt bis heute
Über die genauen Gründe für den Bruch der Albrecht-Brüder wird bis heute wild spekuliert. Eine offizielle, detaillierte Erklärung gab es nie, was die Gerüchteküche nur noch mehr anheizte.
- Theorie 1: Der legendäre Zigaretten-Zoff Die wohl bekannteste Geschichte besagt, dass ein Streit über den Verkauf von Zigaretten zur Trennung führte. Karl Albrecht soll befürchtet haben, dass Tabakwaren Ladendiebe anlocken könnten, während sein Bruder Theo das Verkaufspotenzial sah und Zigaretten ins Sortiment aufnehmen wollte. Ein unüberbrückbarer Gegensatz? Interessanterweise führte Aldi Süd im Jahr 2003, also noch zu Lebzeiten beider Brüder, den Verkauf von Tabakwaren ein. Für Kunden war der angebliche Hauptgrund der Trennung damit nicht mehr ersichtlich. Manche Quellen behaupten sogar, die Zigaretten-Story sei ohnehin nur eine Legende oder zumindest stark vereinfacht.
- Theorie 2: Unterschiedliche Management-Stile – Zwei Alphatiere, zwei Visionen? Eine andere plausible Erklärung sind die möglicherweise stark unterschiedlichen Managementstile und Persönlichkeiten der beiden Brüder. Karl und Theo Albrecht galten beide als starke Unternehmerpersönlichkeiten. Es ist denkbar, dass unterschiedliche Auffassungen über die zukünftige strategische Ausrichtung oder den Führungsstil zu Spannungen führten, die letztendlich nur durch eine Trennung gelöst werden konnten.
- Die offizielle Version: Reine Formsache? Von offizieller Seite hielt man sich bedeckt. Ein Unternehmenssprecher von Aldi nannte einmal schlicht „betriebswirtschaftliche Gründe“ für die Trennung. Eine Erklärung, die viel Raum für Interpretationen lässt.
Der „Aldi-Äquator“: Eine unsichtbare Grenze durch Deutschland
Mit der Teilung entstand der sogenannte „Aldi-Äquator“, eine imaginäre Linie, die Deutschland in ein Nord- und ein Süd-Territorium zerlegt. Diese Grenze verläuft grob vom Rhein über Mülheim an der Ruhr, Wermelskirchen, Gummersbach, Siegen und Gießen ostwärts bis knapp nördlich von Fulda. Nördlich davon kauft man bei Aldi Nord, südlich davon bei Aldi Süd. Eine klare Aufteilung, die bis heute Bestand hat.
Getrennt erfolgreich: Ein Erfolgsmodell im Doppelpack
Entgegen möglicher Befürchtungen hat die Teilung dem Erfolg von Aldi keinen Abbruch getan – im Gegenteil. Manche Beobachter sprechen von einer „gesunden Brüderkonkurrenz“, die beide Unternehmensteile zusätzlich anspornte. Sowohl Aldi Nord als auch Aldi Süd expandierten kräftig, nicht nur in Deutschland, sondern auch international, und wurden zu globalen Handelsriesen. Das Discount-Prinzip, das die Brüder perfektioniert hatten, funktionierte auch getrennt voneinander hervorragend.
Und heute? Annäherung der Discount-Giganten
Mehr als 60 Jahre nach der Trennung gibt es immer wieder Berichte über eine engere Zusammenarbeit zwischen Aldi Nord und Aldi Süd. Bereiche wie Einkauf von Eigenmarken oder Marketingkampagnen werden teilweise schon koordiniert, um Kosten zu sparen und Synergien zu nutzen. Es gab sogar Spekulationen über eine mögliche Fusion der beiden Unternehmensteile. Ob es jemals wieder zu einem vereinten Aldi-Reich kommt, steht in den Sternen. Das letzte Wort im Aldi-Krimi ist vielleicht noch nicht gesprochen.
