Vom Kritiker zum loyalen Krieger: Vances erstaunliche Wandlung
Die Dokumentation von Martin Jabs, Anya Bourg, James Jacoby und Gabrielle Schonder zeichnet ein komplexes Bild von J.D. Vance. Aufgewachsen in prekären Verhältnissen, schaffte er den Sprung an die Elite-Uni Yale und später in die Politik. Seine Kehrtwende in Bezug auf Donald Trump wirft Fragen auf, die Experten zu beantworten versuchen.
Dr. Christoph Heusgen, Leiter der Münchener Sicherheitskonferenz (2022 – 2025), analysiert Vance als politischen Konvertiten: „Er ist ein Konvertit religiös, er ist ein Konvertit auch politisch – von einem erbitterten Trump-Feind zu einem Unterstützer. Er gehört zu den Scharfmachern in der Trump-Regierung, was die Umgestaltung des amerikanischen Staates anbelangt, aber auch, was die Außenpolitik anbelangt, insbesondere im Hinblick Europa.“
Mächtiger als Trump selbst? Experten alarmiert
Die Frage, wie viel eigene Macht Vance besitzt und ob er Trumpismus gar beerben und radikalisieren könnte, steht im Zentrum der Analyse. Dr. Charles A. Kupchan, Professor für Internationale Beziehungen an der Georgetown University, sieht in Vance eine Schlüsselfigur: „Wenn es aber eine Person gibt, die über eine eigene Macht und Basis verfügt, dann ist das J.D. Vance – weil er ein Anführer in der ‚America First‘-Bewegung ist.“ Kupchan ergänzt, dass Trump zwar transaktional agiere, Vance hingegen ein „wahrer Gläubiger“ sei: „Er möchte den Trumpismus und ‚America First‘ beerben und ist folglich jemand, den man im Auge behalten sollte.“
Foto: © ZDF/Saul Loeb/Pool/Sipa USA/ddp
Noch deutlicher wird Dr. Liana Fix, Historikerin und Politikwissenschaftlerin: „J.D. Vance (…) ist jemand, den man in Zukunft vielleicht noch ernster nehmen muss als Donald Trump selbst, weil er eben sehr viel klarer und sehr viel radikaler ist in seinen Positionen.“ Auch Dr. Heusgen pflichtet bei: „Ich glaube, dass J.D. Vance nach diesen vielen Häutungen, die er durchgemacht hat, bei einer Linie angekommen ist, die sehr radikal ist. (…) Er ist ideologisch und ich glaube, dass er da konsequenter handeln würde, als Trump das tut.“
Vances Weltbild: Hierarchie und Europa-Skepsis
Einblicke in Vances ideologischen Unterbau liefert die Autorin Annika Brockschmidt: „J.D. Vance ist erst vor ein paar Jahren zum Katholizismus konvertiert und zwar zu einer ganz bestimmten rechtsreaktionären Form von Katholizismus. Es ist ein Weltbild, das nicht nur zutiefst hierarchischen Gesellschaftsordnungen folgt, sondern diese anderen überstülpen will, ohne zu beachten, ob sie das wollen oder nicht.“
Besonders Europa und Deutschland scheinen im Fokus von Vances Kritik zu stehen. Dr. Liana Fix beschreibt dies als eine „Obsession mit Europa, insbesondere mit Deutschland. Eine Obsession, die zum einen dem Argument folgt, dass die Europäer die USA ausnehmen und ausnutzen, zum anderen (…), dass wir einen Zivilisationsniedergang in Europa haben, gepaart mit Migration und so weiter.“
Angriff auf die Gewaltenteilung?
Die Dokumentation thematisiert auch Vances Verständnis der amerikanischen Verfassung. Joe Statzer, Geschäftsführer der Republikanischen Partei in Butler County, Ohio, erklärt die Sichtweise der Trump-Anhänger: „Wenn aktivistische Richter, die von Obama oder Biden ernannt wurden, sich einmischen und politische Entscheidungen zur Politik von Donald Trump treffen, dann untergräbt das unser System der Gewaltenteilung. (…) Was ist also zu tun? Nimmt man es hin oder wehrt man sich? Nun, wenn man Donald Trump und J.D. Vance nur im Geringsten kennt, dann weiß man: Sie wehren sich.“
Eine Gefahr für liberale Demokratien?
Die Entwicklung um Figuren wie Vance wird von Beobachtern mit Sorge betrachtet. Peter Jamison, Journalist der Washington Post, stellt fest: „Viele Amerikaner haben das Gefühl, von diesen Idealen [des Liberalismus und der Aufklärung] nicht profitiert zu haben, und wenden sich gegen sie. J.D. Vance hat das erkannt und profitiert davon politisch.“
Dr. Charles A. Kupchan zieht ein alarmierendes Fazit nach einer Rede Vances auf der Münchener Sicherheitskonferenz: „Es war für mich schockierend, dem Vizepräsidenten der Vereinigten Staaten (…) zuzuhören, wie er den Deutschen erzählte, dass sie anfangen müssen, Demokratie zu praktizieren, und eine Partei unterstützt, die Verbindungen zu Neonazis hat. Das ist ein bedeutender historischer Wendepunkt (…).“ Er sieht ein „Ringen um die Zukunft der liberalen Demokratie“ und eine „Aushöhlung unserer Mittelschicht und unserer politischen Mitte.“ Die entscheidende Frage, so Kupchan, sei: „Hält die Mitte? Noch ist sie lebendig, aber sie schrumpft.“
Die ZDF-Dokumentation verspricht, tiefere Einblicke in die Gedankenwelt und die Strategien eines Mannes zu geben, der die amerikanische und möglicherweise auch die globale Politik nachhaltig prägen könnte.
Die ZDF-Dokumentation „Trumps Mann fürs Grobe: Wie viel Macht hat J.D. Vance?“ – So sehen Sie die Doku:
- TV-Ausstrahlung: Dienstag, 24. Juni 2025, um 20.15 Uhr im ZDF.
- Online in der ZDFmediathek: Bereits ab Dienstag, 24. Juni 2025, 10.00 Uhr verfügbar. Die Dokumentation kann dort fünf Jahre lang abgerufen werden.