Was wie ein klassischer Cold-Case-Krimi beginnt, entpuppt sich schnell als tiefgründige Auseinandersetzung mit einem wahren Serienmörder, der jahrzehntelang unentdeckt blieb. Die Fiktion folgt dem erschütternden Pfad eines Mannes, der hinter einer bürgerlichen Fassade ein Doppelleben führte – und mindestens fünf Frauen auf brutalste Weise getötet haben soll.
Der echte Fall hinter dem TV-Krimi
Manfred Seel war äußerlich ein unscheinbarer Mann: verheiratet, Vater einer Tochter, Musiker in einer Jazzband. Nach außen hin lebte er ein ruhiges Leben im hessischen Schwalbach. Doch nach seinem Tod im Jahr 2014 entdeckte seine Tochter in einer von ihm gemieteten Garage verstörende Beweise: in Plastikfässern versteckte Leichenteile. Der Fund löste umfangreiche Ermittlungen aus und brachte ein erschreckendes Bild zum Vorschein.
Die Polizei geht davon aus, dass Seel über mehr als drei Jahrzehnte hinweg Frauen – vor allem drogenabhängige Prostituierte – entführte, folterte, verstümmelte und tötete. Besonders grausam: Er soll den Opfern Körperteile entnommen und als Trophäen aufbewahrt haben. In einem Fall wurden sogar Nägel im Brust- und Intimbereich des Opfers gefunden. Ermittler vermuten, dass sadistische Fantasien und die gezielte Inszenierung von Gewalt Teil seines Motivs waren.
© HR/ARD Degeto/Sommerhaus/Daniel Dornhöfer
Parallelen zur Tatort-Folge
Die Tatort-Folge „Dunkelheit“ greift viele Elemente des realen Falls auf. Auch hier beginnt die Geschichte mit dem Fund menschlicher Überreste in einem Fass – aufbewahrt in einer Garage, die nach dem Tod des Eigentümers aufgelöst wird. Die Ermittler stoßen auf eine Verbindung zu verschwundenen Frauen aus den 1970er- bis 2000er-Jahren. Die Parallelen zur Realität sind unübersehbar, auch wenn im Film keine Namen genannt werden.
Dabei zeigt der Krimi eindrucksvoll, wie gefährlich ein Täter sein kann, der unauffällig mitten unter uns lebt – und wie schwer es für Ermittler ist, Muster zu erkennen, wenn die Opfer gesellschaftlich marginalisiert sind.
Das doppelte Gesicht des Täters
Besonders verstörend ist im Fall Seel die Diskrepanz zwischen öffentlichem Image und tatsächlichem Leben. Nachbarn beschrieben ihn als freundlich, wenn auch gelegentlich jähzornig. Niemand ahnte, dass sich in seinem Keller mehrere Terabyte gewaltverherrlichendes Material befanden. Laut Ermittlern nutzte er das Internet gezielt, um seine Fantasien zu pflegen – und offenbar auch, um sie in Taten umzusetzen.
Die Polizei geht davon aus, dass Seel die Taten minutiös plante. Hinweise deuten darauf hin, dass er möglicherweise nicht allein handelte. Bis heute sind nicht alle Opfer identifiziert, viele Fragen bleiben offen.
Fiktion trifft Verantwortung
Der Tatort spielt nicht mit der Gewalt, sondern nimmt sie ernst. Das neue Ermittlerduo geht mit Respekt und Empathie vor, rückt die Opfer in den Mittelpunkt und beleuchtet die gesellschaftlichen Bedingungen, die solche Taten ermöglichen. Die Folge macht deutlich: True Crime ist mehr als Unterhaltung – es ist eine Möglichkeit, wachzurütteln, aufzuklären und zu erinnern.
Gleichzeitig erinnert der Fall Manfred Seel daran, dass das Böse nicht immer laut oder offensichtlich ist. Manchmal trägt es Pelz im Sommer, spielt Saxophon – und lebt jahrzehntelang unbehelligt in der Nachbarschaft.