Der Fall könnte Signalwirkung haben, denn „Kompass 4“ ist hoch umstritten. Für viele Familien hängt von dem Ergebnis ab, ob ein Kind den Sprung aufs Gymnasium schafft.
Wie der Leistungstest funktioniert
„Kompass 4“ wurde im November 2024 erstmals flächendeckend durchgeführt. Alle Viertklässler mussten eine zentrale Prüfung absolvieren – schriftlich in Deutsch und Mathematik.
- Deutsch: Leseverständnis, Rechtschreibung und Sprachgebrauch
- Mathematik: Zahlen und Operationen, Raum und Form, Größen und Messen sowie Daten und Wahrscheinlichkeit
Das Testergebnis fließt seitdem zusammen mit der Lehrerempfehlung und dem Elternwunsch in die Grundschulempfehlung ein. Wer weder über gute Leistungen noch über eine positive Empfehlung verfügt, kann zusätzlich einen sogenannten Potenzialtest ablegen, um den Zugang zum Gymnasium zu ermöglichen.
Hintergrund der Neuerung ist die Rückkehr zu G9: Seit dem Schuljahr 2024/25 dauert das Gymnasium wieder neun Jahre. Um eine Überlastung der Gymnasien zu verhindern, wurden die Kriterien für die Aufnahme verschärft.
Streitpunkt fehlende Rechtsgrundlage
Das Verwaltungsgericht stützte seine Entscheidung auf einen juristischen Knackpunkt. Das Gesetz, das „Kompass 4“ überhaupt erst verpflichtend machte, trat erst im Februar 2025 in Kraft – mehrere Monate nach der Durchführung des Tests. Damit habe es zum Zeitpunkt der Prüfung keine rechtliche Grundlage gegeben, so die Richter.
Das Kultusministerium widersprach dieser Einschätzung. Ein Sprecher betonte, es handle sich bei „Kompass 4“ nicht um eine klassische Prüfung, sondern um eine Orientierungshilfe für Eltern. Man wolle die Begründung des Urteils nun genau prüfen und gegebenenfalls Rechtsmittel einlegen. Der Beschluss ist noch nicht rechtskräftig.
Kritik von Lehrkräften und Gewerkschaft
Die Einführung des Tests hat von Beginn an für Unruhe gesorgt. Die Bildungsgewerkschaft GEW spricht von einem „Grundschul-Abitur“, das Kinder überfordere und Familien unter Druck setze. Landeschefin Monika Stein warnte, das Chaos des Vorjahres dürfe sich nicht wiederholen: „Tränen in den Klassenzimmern helfen niemandem.“
Auch viele Lehrkräfte stehen der Reform skeptisch gegenüber. Sie fürchten, dass die starre Gewichtung von Testergebnissen und Empfehlungen der individuellen Entwicklung der Kinder nicht gerecht wird.
Landesregierung hält am Kurs fest
Trotz der Kritik hält die Landesregierung an „Kompass 4“ fest. Ein Bericht des Bildungsausschusses im Frühjahr 2025 bestätigte, dass die Tests fortgeführt werden sollen. Laut Ministerium sei es wichtig, Kinder realistisch einzuschätzen und sie nicht auf eine Schulart zu schicken, die sie möglicherweise überfordert.
Der Fall aus Ravensburg zeigt jedoch: Der Streit um den richtigen Weg in der Grundschulempfehlung ist längst nicht beendet – und dürfte die Gerichte noch länger beschäftigen.