Wirtschaftskrise befeuert Unzufriedenheit
Vor allem im Ruhrgebiet wächst der Frust. Städte wie Gelsenkirchen, einst geprägt von Kohle und Stahl, kämpfen heute mit hoher Arbeitslosigkeit, Armut und verödeten Innenstädten. Die wirtschaftliche Perspektivlosigkeit treibt viele Menschen um – immer mehr Läden schließen, während gleichzeitig die Lebenshaltungskosten steigen. Diese Mischung aus ökonomischem Druck, Unsicherheit und Zukunftsängsten bietet der AfD einen fruchtbaren Boden.
In Gelsenkirchen könnte sie laut Umfragen ihre Stadtratssitze verdoppeln und der SPD die jahrzehntelange Vormachtstellung entreißen. Bei der Bundestagswahl Anfang des Jahres lag die AfD hier mit 24,7 Prozent knapp vor der SPD. Auch in Duisburg, Bochum oder Dortmund wird ein Kopf-an-Kopf-Rennen erwartet.
Junge Wähler tendieren zur AfD
Besonders auffällig ist der Trend unter jungen Menschen: Laut einer aktuellen Umfrage tendieren 15 Prozent der unter 35-Jährigen zur AfD, während bei den über 65-Jährigen nur ein Bruchteil dazu neigt, für sie zu stimmen. Erstmals dürfen bei dieser Kommunalwahl auch 16- und 17-Jährige wählen – für viele ist es der Einstieg in die politische Mitbestimmung.
Die etablierten Parteien wirken vielerorts ratlos. SPD und CDU verlieren zunehmend den Zugang zu ihren einst stabilen Wählermilieus. Beide Parteien setzen nun vor allem auf Durchhalteparolen, während im Hintergrund bereits Erwartungsmanagement betrieben wird. Innerhalb der CDU wäre man schon mit einem Ergebnis zwischen 20 und 30 Prozent zufrieden.
Grüne drohen Verluste, Uni-Städte ticken anders
Ganz anders ist die Lage in Universitätsstädten wie Münster oder Bonn. Hier hatten die Grünen bei der vergangenen Kommunalwahl Rekordergebnisse erzielt und die CDU vom Spitzenplatz verdrängt. Doch der bundesweite Abwärtstrend der Partei könnte auch auf kommunaler Ebene Spuren hinterlassen. In Köln, Aachen und Bonn waren die Grünen 2020 erstmals stärkste Kraft, müssen nun aber um ihre Position kämpfen.
Das Ruhrgebiet hingegen ist längst kein rotes Stammland mehr: In Städten wie Essen, Mülheim oder Oberhausen lag schon 2020 die CDU vorn, während die SPD in Gelsenkirchen oder Dortmund ihre letzten Hochburgen verteidigen muss – nun auch noch gegen die erstarkende AfD.
Wahl mit Signalwirkung für Berlin
Die Kommunalwahl gilt als dritter und letzter großer Urnengang in Deutschland in diesem Jahr und wird bundesweit als Stimmungstest für die neue Bundesregierung unter Friedrich Merz gewertet. Obwohl kommunale Themen wie Wohnraum, Infrastruktur, Schulen, Kitas und soziale Gerechtigkeit im Vordergrund stehen, wirkt sich die bundespolitische Lage deutlich auf das Wahlverhalten vor Ort aus.
Zudem sorgt internationale Aufmerksamkeit für zusätzlichen Druck: Sogar Reporter der New York Times beobachten den Wahlkampf im Ruhrgebiet, nachdem sich Elon Musk mehrfach öffentlich für die AfD ausgesprochen hatte.
Ob die SPD ihre einstige Herzkammer halten kann oder die AfD in NRW den Durchbruch schafft, entscheidet sich an diesem Sonntag – und dürfte weit über die Landesgrenzen hinaus beachtet werden.