Die unsichtbare Wahrheit: Wie Forscher das Verhalten aufdeckten
Man mag sich fragen: Wie kann man so etwas genau wissen, ohne den Menschen direkt über die Schulter zu schauen? Die Antwort liegt in einer cleveren und unauffälligen Methode. In Zusammenarbeit mit der Universität Surrey, der Universität von South Carolina und dem dänischen Unternehmen Aguardio ApS wurden in zwei öffentlichen Toiletten eines Krankenhauses spezielle Sensoren an den Rohren der Toiletten und Waschbecken installiert. Diese „Pipe Sensors“ erfassten über 19 Wochen hinweg objektiv und anonym, wie oft eine Toilette gespült und wie oft danach der Wasserhahn am Waschbecken betätigt wurde.
Diese innovative Methode ermöglichte es den Forschern, ein ehrliches und ungeschöntes Bild der tatsächlichen Händehygiene-Gewohnheiten zu zeichnen – frei von sozialen Erwartungen, die bei direkten Befragungen das Ergebnis verfälschen würden.
Die alarmierenden Details: Wann die meisten Menschen die Hygiene vergessen
Die durchschnittliche Nicht-Wasch-Rate von 43,7 %
ist bereits besorgniserregend, doch die Detailanalyse der Studie „Flush. Wash. Protect.“ zeigt noch beunruhigendere Muster:
- Wöchentliche Spitzen: In manchen Wochen stieg die Rate der Personen, die das Händewaschen unterließen, auf bis zu 61,8 %. Das bedeutet, dass zu bestimmten Zeiten fast zwei von drei Personen die Toilette ohne anschließende Handhygiene verließen.
- Vorhersehbare Muster: Die Nachlässigkeit trat nicht zufällig auf. Die Forscher stellten fest, dass die Hygienelücken besonders morgens und abends sowie während der typischen Essenszeiten (Frühstück, Mittag- und Abendessen) am größten waren. Genau dann also, wenn das Risiko einer Keimübertragung durch den Kontakt mit Lebensmitteln oder anderen Personen besonders hoch ist.
Warum das ein ernstes Problem ist: Experten warnen
Was wie eine kleine persönliche Nachlässigkeit wirkt, kann in einem Krankenhaus schwerwiegende Folgen haben. Brian Holch Kristensen, Chief Innovation Officer am beteiligten Bispebjerg Hospital, bringt es auf den Punkt: „In einer Krankenhausumgebung ist die richtige Händehygiene von entscheidender Bedeutung – nicht nur zur Verhinderung der Ausbreitung von Infektionen, sondern auch zum Schutz unserer schutzbedürftigsten Patienten.“ Er fügt hinzu: „Selbst etwas so Alltägliches wie das Berühren einer Türklinke nach dem Vergessen des Händewaschens kann zur Kreuzkontamination beitragen.“
Diese Einschätzung teilt auch Professor Carrie Newlands, beratende Chirurgin an der University of Surrey’s School of Medicine: „Diese Ergebnisse sind beunruhigend, aber nicht überraschend. Selbst einfache Verhaltensweisen wie das Händewaschen können ohne Verstärkung nachlassen.“ Sie betont die Dringlichkeit zu handeln: „In Krankenhäusern können solche Versäumnisse schwerwiegende Folgen für die Patienten und das gesamte Gesundheitssystem haben. Es ist an der Zeit, dass wir über Poster und Desinfektionsmittelspender hinaus zu wirksameren Verhaltensstrategien übergehen.“
Ein Weckruf für uns alle
Die Studie ist mehr als nur eine Sammlung von Daten; sie ist ein dringender Weckruf. Sie zeigt, dass selbst nach einer globalen Pandemie, die die Bedeutung von Handhygiene ins Zentrum rückte, grundlegende Verhaltensweisen schnell wieder in Vergessenheit geraten. Die Erkenntnisse über die Stoßzeiten der Nachlässigkeit bieten jedoch eine wertvolle Chance. Gezielte Erinnerungen oder Interventionen genau zu diesen Zeiten könnten die Hygiene-Compliance deutlich verbessern.
Letztendlich liegt der Schutz vor Infektionen in unser aller Hände – im wahrsten Sinne des Wortes.