Ein Felsen, der alles sieht
Der Isteiner Klotz erhebt sich rund 250 Meter über die Rheinebene und bietet einen Blick, der strategisch kaum besser sein könnte: Elsass, Basel, der Deutsche Rhein – alles liegt offen. Kein Wunder, dass hier im Mittelalter eine Festung thronte, die um das Jahr 1180 erstmals erwähnt wurde. Die Habsburger nutzten sie, auch wenn sie dem Basler Bischof unterstand. 1409, im Krieg zwischen Basel und Österreich, eroberte die Stadt die Burg zurück – und entschied, dass ihre Lage nie wieder gegen sie eingesetzt werden dürfte. Zwischen 1410 und 1411 wurde sie Stein für Stein abgetragen und ihre Blöcke in der Basler Stadtmauer verbaut.
Legenden, die länger halten als Mauern
Um den Isteiner Klotz ranken sich Sagen, die bis heute weitererzählt werden. Die bekannteste: die tragische Liebesgeschichte des Ritters Veit von Istein. Er war mit Jutta von Sponeck verlobt, verliebte sich jedoch in Bertha von Thierstein. Als Jutta die beiden ertappte, wählte sie den Freitod. Veit soll ihre Leiche den Fels hinaufgetragen und sich mit ihr in den Rhein gestürzt haben. Historisch ist die Geschichte zweifelhaft – den Felsenpfad, den die Legende erwähnt, gab es damals noch gar nicht. Doch wie so viele Sagen hat sie die Zeiten überdauert.
Tunnel, Mythen und Irrtümer
Immer wieder glaubten Menschen, geheime Gänge rund um den Isteiner Klotz gefunden zu haben. Vom schweizerischen Augst bis zum Klotz sollte ein unterirdischer Tunnel führen, behauptete ein Elsässer um 1500. Wahrscheinlicher ist, dass er nur eine alte römische Wasserleitung gesehen hat. Und auch vom benachbarten Schenkenschlössli soll ein Gang existiert haben – möglich, denn die Region ist voller alter Keller und Durchgänge. Doch viele dieser Geschichten sind eher lokale Mythen als harte Fakten.
Ein Berg, der mehr Geschichte trägt als jede Burg
Der Isteiner Klotz ist weit älter als seine mittelalterliche Festung. Archäologen fanden hier in Höhlen Steinwerkzeuge, Topfscherben und menschliche Überreste – Hinweise darauf, dass Menschen bereits vor rund 12.000 Jahren Schutz in den Felsen suchten. In der Jungsteinzeit (um 4200–4100 v. Chr.) wurde am Klotz Feuerstein abgebaut – der erste gesicherte Nachweis eines neolithischen Bergbaus auf deutschem Boden.
Auch geologisch ist der Felsen ein Schwergewicht: Er entstand als Grabenbruchscholle des Oberjuras vor rund 160 Millionen Jahren und zählt heute zu den 77 Nationalen Geotopen Deutschlands.
Vom Bollwerk zum Lost Place
Vor dem Ersten Weltkrieg bohrte man Stollen, schuf Räume und Geschützstellungen. 750 Mann hätten hier Platz gefunden. Die Nationalsozialisten erweiterten die Anlage in großem Stil: 113 Bunker, kilometerlange Tunnel, eine 105 Tonnen schwere Panzerkuppel – der Klotz wurde zum massiven Teil des Westwalls. Nach dem Krieg sprengten französische Truppen große Bereiche. Später nutzte die Bundeswehr die unterirdischen Räume als Depot, zuletzt bis 2005. Manche Lagerflächen umfassten über 36.000 Quadratmeter.

Foto: Bundesarchiv, Bild 101I-052-1437-36 / CC-BY-SA 3.0, CC BY-SA 3.0 de, Link
Heute: gesperrt – und doch faszinierend
Der Isteiner Klotz ist heute ein Lost Place, häufig gesperrt wegen der Gefahr durch steile Felswände. Besucher dürfen nur bei seltenen Führungen hinauf. Vom Parkplatz aus sind immerhin die Mauerreste der Burg sichtbar – und die St.-Veits-Kapelle, die seit über 900 Jahren in einer Felsnische thront. Hinter ihrem Altarraum liegen uralte Höhlen, die bis heute nur in Teilen erforscht sind.
Ein Puzzle, das wohl nie vollständig sein wird
Der Isteiner Klotz ist ein Ort voller Bruchstücke: Steine, die nach Basel wanderten; Geschichten, die sich widersprechen; Höhlen, deren Nutzung sich über Jahrtausende änderte. Vieles bleibt ungeklärt – und genau darin liegt der Reiz dieses Felsens. Ein Berg wie ein Archiv, von dem nur wenige Seiten erhalten sind. Und doch erzählen sie genug, um seine Faszination lebendig zu halten.

