Vom Euro zur Migration – die AfD verändert ihr Gesicht
Noch 2014 dümpelte die AfD in Umfragen bei 3 bis 4 Prozent. Ursprünglich gegründet als Anti-Euro-Partei, verlor sie jedoch an Strahlkraft, als das Thema nicht mehr dominierte. Mit der Flüchtlingsbewegung ab Sommer 2015 öffnete sich ein neues politisches Feld – und die AfD erkannte schnell die Chance.
Der Film zeigt, wie sich innerhalb der Partei Machtkämpfe abspielten: Parteigründer Bernd Lucke und das wirtschaftsliberale Lager gerieten ins Abseits. Stattdessen setzte sich eine völkisch-nationalistische Strömung durch – der sogenannte „Flügel“, unterstützt von Frauke Petry, André Poggenburg und anderen. Diese Radikalisierung sollte den weiteren Kurs bestimmen.
Merkels Satz und die politische Wende
Am 31. August 2015 fiel jener Satz, der bis heute nachwirkt: „Wir schaffen das.“ Kanzlerin Angela Merkel sagte ihn auf ihrer Sommerpressekonferenz – und machte ihn damit zu einem der bekanntesten Zitate ihrer Amtszeit.
Während viele Bürger das Signal als humanitären Aufruf verstanden, empfanden andere es als Ignoranz gegenüber ihren Sorgen. Genau in dieses Vakuum stieß die AfD: Sie griff das Thema Migration auf, verstärkte die Unsicherheit und nutzte die sichtbare Überforderung der Behörden, um neue Wählergruppen zu gewinnen.
Krisenmodus in Politik und Verwaltung
Der Film dokumentiert die chaotischen Zustände in dieser Zeit: überfüllte Erstaufnahmeeinrichtungen, überlastete Städte und Kommunen, Behörden, die an ihre Grenzen stießen. Besonders eindrücklich: Der damalige Chef des Berliner Landesamts für Gesundheit und Soziales (LAGeSo), Sebastian Muschter, spricht offen von einer „Verwaltungskrise“ und bezeichnet die Ereignisse als Beleg für „strukturelle Schwächen der deutschen Bürokratie“.
Millionen Menschen flohen 2015 und 2016 aus Syrien, Afghanistan, dem Irak oder Albanien nach Europa. Deutschland war eines der Hauptziele. Das löste nicht nur Hilfsbereitschaft, sondern auch Ängste aus – ein Spannungsfeld, das die AfD für sich nutzte.
© ZDF/Ariane Riecker
Stimmen aus der Partei – und kritische Einordnung
Die Dokumentation bietet nicht nur eine Außenperspektive, sondern lässt auch damalige AfD-Vertreter zu Wort kommen: Jörg Meuthen, Beatrix von Storch, Hans-Thomas Tillschneider oder Steffen Königer berichten von den internen Debatten und der schnellen Verschiebung nach rechts.
Parallel ordnen Experten wie die Migrationsforscherin Victoria Rietig und die Journalisten Robin Alexander, Justus Bender und David Gebhard die Geschehnisse ein. Sie zeigen, wie ein Zusammenspiel aus gesellschaftlicher Verunsicherung, medialer Aufmerksamkeit und parteiinternen Machtkämpfen zu einem Wandel führte, der die deutsche Politik bis heute prägt.
Vom Protest zur Bundestagsfraktion
Das Ergebnis dieser Entwicklung: Die AfD zog 2017 erstmals in den Bundestag ein – mit 12,6 Prozent. Ein historischer Erfolg, der ohne die Flüchtlingskrise in dieser Form kaum denkbar gewesen wäre.
Die Dokumentation macht deutlich, dass die Krise für die Partei nicht nur ein neues Thema eröffnete, sondern auch half, eine klare Feindbild-Politik zu etablieren. Migranten, Politiker, Medien – alles wurde Teil eines populistischen Narrativs, das bei Teilen der Bevölkerung verfing.
© ZDF/Ariane Riecker
Deutschland 2025 – die Folgen sind sichtbar
Heute, zehn Jahre später, zeigt sich das Ausmaß: Bei der Bundestagswahl 2025 erreicht die AfD ihr bislang bestes Ergebnis. Der Film zieht damit eine Linie vom Jahr 2015 bis in die Gegenwart und macht klar, dass politische Entscheidungen und gesellschaftliche Stimmungslagen von damals die deutsche Parteienlandschaft dauerhaft verändert haben.
Ein Film, der Debatten anstößt
„AfD – Aufstieg in der Flüchtlingskrise“ ist keine einfache Chronik. Es ist ein Film, der Fragen stellt: Wie konnte sich eine Protestpartei in kürzester Zeit zu einer ernstzunehmenden politischen Kraft entwickeln? Welche Verantwortung tragen Politik, Verwaltung und Medien? Und warum war ausgerechnet die Flüchtlingskrise der Katalysator für diesen Wandel?
Die Antworten sind komplex – doch der Film liefert ein dichtes Bild aus Zeitzeugenberichten, Analysen und Originalaufnahmen.
Sendetermin: Dienstag, 19. August 2025, 20:15 Uhr im ZDF – danach bis 19. August 2030 in der Mediathek verfügbar.