Von der Donau über Hollywood zum Broadway
Ihr Start ins Leben im Ländle war alles andere als glitzernd oder vom Glück verfolgt. Mit gerade einmal sechs Monaten verlor sie ihren Vater, den Tabakkaufmann Hans Theodor Knef, an Syphilis, woraufhin ihre Mutter Frieda mit der kleinen Hildegard fluchtartig nach Berlin-Schöneberg zog. Doch die Ulmer Wurzeln blieben tief vergraben, auch wenn Knef später als erster deutscher Nachkriegsstar in „Die Mörder sind unter uns“ (1946) die internationale Weltbühne eroberte und als Titelseitengesicht der allerersten „Stern“-Ausgabe zur Ikone einer ganzen Generation wurde.
Sie war die einzige Deutsche, der es jemals gelang, direkt in einer Hauptrolle am Broadway zu debütieren, als sie von 1954 bis 1956 in Cole Porters „Silk Stockings“ als Ninotschka fast 700 Vorstellungen lang Triumphe feierte. Sogar ihre Hand- und Schuhabdrücke verewigte sie im nassen Zement vor dem legendären Grauman’s Chinese Theatre in Hollywood – ein Ritterschlag, den nur die wenigsten Europäer erhielten. Doch die Kontrole über ihre Karriere ließ sie sich nie aus der Hand nehmen, was letztlich zum riskanten Bruch mit der Filmfirma 20th Century Fox führte, weil sie sich nicht in das starre Korsett der Studiobosse pressen lassen wollte. Sie kehrte Hollywood den Rücken. Einfach so. Der Stolz war größer.
Die „beste Sängerin ohne Stimme“ und Bestseller-Autorin
In den 60er Jahren, als viele dachten, ihr Zenit sei überschritten, erfand sie sich einfach radikal neu. Die Jazz-Legende Ella Fitzgerald bezeichnete sie bewundernd als die „beste Sängerin ohne Stimme“, was Knef eher als Kompliment verstand. Mit ihrem rauchigen Organ, das nach tausend Zigaretten und noch mehr Leben klang, und ihrem Erkennungslied „Für mich soll’s rote Rosen regnen“ (1968) sang sie sich endgültig in die Ewigkeit.
Foto: Eric Koch für Anefo – http://proxy.handle.net/10648/ad8ff362-d0b4-102d-bcf8-003048976d84, CC0, Link
Doch Knef war mehr als nur Rampenlicht und Musik: Ihr autobiografisches Buch „Der geschenkte Gaul“ (1970) stürmte nicht nur die deutschen Charts, sondern wurde in 17 Sprachen übersetzt und zum international erfolgreichsten Buch eines deutschen Autors nach dem Krieg. Sie war schonungslos zu sich selbst und zu anderen. Mutig brach sie 1975 in ihrem Werk „Das Urteil“ das gesellschaftliche Tabu um ihre Krebserkrankung, was damals eine unglaubliche Welle der Diskussionen auslöste. Jeder lügt hier. Niemand sagt alles – außer Hilde in ihren Zeilen. Sie hat das Schweigen gebrochen.
Ein Denkmal aus Papier, Schienen und Rosen
Zu ihrem 100. Ehrentag hat die Deutsche Post AG nun eine exklusive Sonderbriefmarke für 0,95 Euro herausgegeben, die sie majestätisch vor einem roten Rosenhintergrund zeigt. In Ulm ist man heute besonders stolz auf die verlorene Tochter: Seit 2002 gibt es den Hildegard-Knef-Platz und seit 2018 rattert sogar ein Straßenbahnwagen der Baureihe Avenio M mit ihrem stolzen Namen durch die Stadt. Wer heute gegen 17.00 Uhr an sie denkt, sollte unbedingt eine ihrer Platten auflegen – vielleicht das moderne Spätwerk „17 Millimeter“, für das sie 1999 mit Till Brönner den German Jazz Award abräumte. Das Fahrzeuug des Ruhms rollt für Hilde auch ein Jahrhundert nach ihrer Geburt noch gewaltig durch die Gassen von Ulm und Berlin.
Foto: OTFW, Berlin – Selbst fotografiert, CC BY-SA 3.0
Hildegard Knef verstarb am 1. Februar 2002 in Berlin an einer akuten Lungenentzündung, kurz nachdem sie ihre deutsche Staatsbürgerschaft zurückerhalten hatte. Doch heute gehören ihr symbolisch wieder alle roten Rosen der Welt. Die Diva bleibt unvergessen. Ulm vergisst seine Kinder nicht. Happy Birthday, Hilde!

