Kommunen in Finanznot – Gemeindetag fordert mehr Steuergeld
Den Gemeinden in Baden-Württemberg fehlt zunehmend das Geld für ihre gesetzlichen Aufgaben.
Angesichts steigender Ausgaben für Personal, Energie und soziale Leistungen warnt der Gemeindetag Baden-Württemberg vor einer dramatischen Finanzlage vieler Kommunen.
Präsident Steffen Jäger forderte in den „Stuttgarter Nachrichten“ und der „Stuttgarter Zeitung“, die Kommunen müssten einen höheren Anteil an der Umsatz- oder Einkommensteuer erhalten. Ohne Reformen oder zusätzliche Mittel drohten Einschnitte im sozialen Bereich.
Auch Achim Brötel, Präsident des Landkreistags, sieht strukturelle Probleme:
„Die Kommunen müssen für mehr als ein Viertel der öffentlichen Ausgaben geradestehen, bekommen aber nur rund ein Siebtel des Steuerkuchens.“ erläutert er in SWR Aktuell am14.10.2025.
Er fordert eine Verdreifachung des kommunalen Umsatzsteueranteils, um die Aufgaben langfristig zu sichern.
Hohe Ausgaben und fehlende Konnexität belasten Städte und Gemeinden
Nach Angaben des Gemeindetags haben sich die Personalausgaben in den vergangenen zehn Jahren mehr als verdoppelt.
Hinzu kommen gestiegene Sozialausgaben, insbesondere in den Bereichen Kitas, Jugendhilfe und Eingliederungshilfe.
Viele dieser Leistungen sind gesetzlich vorgeschrieben, werden aber nicht ausreichend vom Bund oder Land finanziert – ein Verstoß gegen das sogenannte Konnexitätsprinzip („Wer bestellt, bezahlt“).
Laut Gemeindetag haben rund 90 Prozent der Kommunen in Baden-Württemberg ihre Rücklagen bereits aufgebraucht.
Für das laufende Jahr rechnen Städte und Gemeinden mit einem Gesamtdefizit von rund drei Milliarden Euro.
Kürzungen bei Kitas und Jugendhilfe im Gespräch
Um handlungsfähig zu bleiben, bringt der Gemeindetag auch umstrittene Sparmaßnahmen ins Gespräch:
- Überprüfung des Rechtsanspruchs auf einen Kita-Platz,
- mögliche Absenkung von Betreuungsstandards oder Kürzung von Öffnungszeiten,
- Diskussion über eine stärkere Mitfinanzierung durch Eltern.
Steffen Jäger betonte, man müsse offen über Prioritäten sprechen:
„Wir müssen uns fragen, welche Standards wir uns leisten können und ab wann eine Leistung in Anspruch genommen werden darf.“
Kritik von Familienverbänden und Jugendorganisationen
Die Reaktionen auf die Vorschläge fallen deutlich aus:
Der Städtetag Baden-Württemberg berichtet bereits von Kürzungen bei Öffnungszeiten wegen Personalmangels.
Freie Träger der Jugendhilfe warnen vor einem „Kahlschlag“ in der Kinder- und Jugendarbeit.
Der Landesjugendring Baden-Württemberg fürchtet den Wegfall von Freizeiten und internationalen Jugendbegegnungen, sollte die öffentliche Förderung sinken.
Land reagiert mit Entlastungspaket
Die Landesregierung hat ein Milliardenpaket zur Unterstützung der Kommunen angekündigt.
Ziel sei es, kurzfristig finanzielle Spielräume zu schaffen und die kommunalen Haushalte zu stabilisieren.
Allerdings gilt die Finanznot der Städte und Gemeinden nicht nur in Baden-Württemberg, sondern bundesweit:
Sinkende Einnahmen bei der Gewerbesteuer und steigende Sozialausgaben belasten Kommunen in allen Bundesländern.