Darum geht’s in „Am Ende des Sommers“
Ben (Thomas Schubert) ist 18, hat die Schule mit Bravour abgeschlossen, steht am Beginn seines Erwachsenenlebens – und hat mit seiner Mutter Sylvia (Julia Koschitz) ein außergewöhnlich enges Verhältnis. Sylvia hat Ben allein großgezogen, war Mutter und beste Freundin zugleich. Bens Vater? Laut der romantischen Familiengeschichte eine Interrail-Bekanntschaft in Florenz, eine Liebe, die nur einen Tag hielt.
Doch die heile Welt bekommt Risse, als Sylvia Post erhält, die sie tief verunsichert. Ben findet zufällig Hinweise, dass sein Großvater verstorben ist – obwohl er immer geglaubt hatte, dieser sei schon lange tot. Auf der Beerdigung kommen weitere Ungereimtheiten ans Licht, und schließlich platzt die Wahrheit heraus: Ben ist das Kind einer Vergewaltigung.
Diese Enthüllung reißt Ben den Boden unter den Füßen weg. Er beginnt, sich auf die Suche nach seinem Vater zu machen, will Antworten, Klarheit – und vielleicht auch Rache. Doch als er dem Mann gegenübersteht, der sein Leben unwiderruflich geprägt hat, muss er sich selbst fragen: Wie viel Vergangenheit kann man ertragen, um seinen eigenen Weg zu finden?
Starke Besetzung, authentische Figuren
Die emotionale Wucht des Films lebt vor allem von seinen Darstellern:
- Thomas Schubert verkörpert Ben mit einer Mischung aus jugendlicher Verletzlichkeit und aufkeimender Rebellion.
- Julia Koschitz glänzt als Sylvia, die zwischen Schuldgefühlen, Angst und der bedingungslosen Liebe zu ihrem Sohn zerrieben wird.
- In Nebenrollen überzeugen Johannes Zeiler, Alina Fritsch und Heidelinde Pfaffenbichler, die dem Drama Tiefe verleihen.
Hinter den Kulissen
Gedreht wurde im Sommer 2014 in Wien und der idyllischen Wachau in Niederösterreich. Die sanfte, oft melancholische Kameraarbeit von Hermann Dunzendorfer fängt nicht nur die Schönheit der Landschaft ein, sondern kontrastiert sie mit der inneren Zerrissenheit der Figuren. Produziert wurde „Am Ende des Sommers“ von MR Film, in Zusammenarbeit mit ORF und MDR, unterstützt vom Land Niederösterreich.
Eigene Kritik: Ein Drama, das lange nachhallt
„Am Ende des Sommers“ ist kein lauter Film, kein überdramatisiertes TV-Drama. Vielmehr entwickelt er eine stille, aber beständige Intensität. Regisseur Nikolaus Leytner setzt nicht auf Effekthascherei, sondern auf glaubwürdige Charaktere, leise Zwischentöne und ehrliche Dialoge.
Besonders gelungen ist, wie der Film die enge Beziehung zwischen Mutter und Sohn zeichnet, ohne in Kitsch oder Pathos zu verfallen. Die Enthüllung über Bens Herkunft wird sensibel inszeniert, ohne Voyeurismus, dafür mit emotionaler Klarheit.
Allerdings bleibt die Geschichte in manchen Nebensträngen etwas oberflächlich – hier hätte der Film noch mehr Tiefe vertragen, etwa bei der Entwicklung der Figur des Vaters oder bei Bens Beziehung zu seiner Freundin Hanna. Trotzdem überzeugt die Produktion insgesamt mit einer gelungenen Mischung aus emotionaler Wucht, feinen Charakterstudien und atmosphärischen Bildern.
Rezeption und Auszeichnungen
Bei der Erstausstrahlung 2015 im Ersten schalteten 4,63 Millionen Zuschauer ein – ein respektabler Marktanteil von 14,5 Prozent. Auch die Fachpresse lobte den Film für seine Ernsthaftigkeit und die starken schauspielerischen Leistungen.
Für die Kameraarbeit erhielt Hermann Dunzendorfer 2016 eine Nominierung bei der Romy-Verleihung. Zudem war der Film beim Fernsehfilmfestival Baden-Baden für den Hauptpreis sowie den Fernsehpreis der Österreichischen Erwachsenenbildung nominiert.
Fazit
„Am Ende des Sommers“ ist ein intensives, emotionales Drama, das nicht nur eine Coming-of-Age-Geschichte erzählt, sondern auch Themen wie Schuld, Vergebung und Selbstfindung berührt. Ein Film, der leise beginnt, sich langsam steigert und am Ende lange im Gedächtnis bleibt.
Unbedingt einschalten: Heute, 20:15 Uhr, im Ersten.