81 Prozent fordern mehr Praxis

„Zu viel Theorie, zu wenig Schule“: Lehramtsstudenten in Baden-Württemberg kritisieren PH-Studium massiv

Das Lehramtsstudium an den Pädagogischen Hochschulen (PH) in Baden-Württemberg steht in der Kritik: Nur 41 Prozent der Studierenden sind mit ihrer Ausbildung zufrieden – 81 Prozent empfinden das Studium als zu theorielastig. Das zeigt eine neue Studie des SINUS-Instituts im Auftrag des VBE Baden-Württemberg. Der Verband fordert nun umfassende Reformen – von praxisnäheren Inhalten bis hin zu besseren finanziellen Rahmenbedingungen.
  • Nur 41 % der Lehramtsstudenten sind mit dem PH-Studium zufrieden

  • 81 % empfinden das Studium als zu theorielastig und praxisfern

  • 65 % fordern frühere Praxisphasen ab dem 1. oder 2. Semester

  • Deutliche Kritik an Studienorganisation, Lehrqualität und Theorie-Praxis-Verzahnung

  • Weniger als 40 % fühlen sich gut vorbereitet auf Inklusion, Unterrichtsplanung, Teamarbeit

  • Finanzierungslage angespannt: 72 % der BAföG-Bezieher sagen, es reicht nicht

  • VBE fordert praxisnähere Curricula, bessere Begleitung, mehr Fachdidaktik und finanzielle Reformen

Foto: insidebw.de / AI

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Strukturelle Schwächen trotz motivierender Praxisphasen

„Das Lehramtsstudium hat Reformbedarf“, stellt VBE-Landeschef Gerhard Brand klar. Zwar werden Praxisphasen durchweg positiv bewertet und als motivierend erlebt, doch offenbaren sich deutliche Defizite bei Organisation, Studienstruktur und der Vorbereitung auf den Schulalltag. Besonders kritisiert wird ein unzureichender Theorie-Praxis-Transfer.

Studium oft unübersichtlich und unflexibel

Nur ein Viertel der Studierenden ist mit der Organisation des Studiums zufrieden – 41 Prozent sind explizit unzufrieden. Besonders problematisch sei der Studienaufbau, der häufig als „verwirrend, redundant und schlecht abgestimmt“ wahrgenommen werde. Studierende fordern mehr Wahlfreiheit, flexiblere Modulbelegung und eine stärkere Verbindung von Theorie und Schulrealität.

Deutliche Standortunterschiede – Heidelberg führt

Im Standortvergleich zeigen sich große Unterschiede: Während die PH Heidelberg mit einem Zufriedenheitsindex von +36 Punkten deutlich vorne liegt, schneidet Freiburg mit nur +2 Punkten am schwächsten ab. Insgesamt fühlen sich Primarstufen- und Sekundarstufen-I-Studierende deutlich weniger gut aufgehoben als ihre Kommiliton:innen in der Sonderpädagogik.

Praxis ja – aber zu spät und zu wenig begleitet

Die Studierenden wünschen sich deutlich frühere und umfangreichere Praxisphasen. Zwei Drittel fordern einen Einstieg bereits ab dem ersten oder zweiten Semester. Tagesfachpraktika und längere Blockpraktika werden gleichermaßen gewünscht, jedoch mangelt es an systematischer Begleitung durch praxiserfahrene Dozierende. Nur 38 Prozent sind mit der Betreuung zufrieden.

Lücken bei Berufsrelevanz und Didaktik

Ein zentrales Problem: Die Vorbereitung auf den späteren Beruf wird als unzureichend empfunden. Nur rund 40 Prozent fühlen sich gut auf didaktische Grundlagen wie Unterrichtsplanung oder den Einsatz digitaler Medien vorbereitet. Die größten Defizite bestehen in Bereichen wie Inklusion, Teamarbeit, Elternarbeit oder der Bewältigung schwieriger Unterrichtssituationen – jeweils mit Werten von unter 15 Prozent.

Ungleichgewicht zwischen Fachwissenschaft und Fachdidaktik

59 Prozent der Befragten empfinden ein Übergewicht der Fachwissenschaften – zulasten der praxisrelevanten Fachdidaktik. Nur 38 Prozent fühlen sich gut auf den Fachunterricht vorbereitet.

Finanzielle Sorgen trotz BAföG

Auch bei der Studienfinanzierung herrscht Frust: Nur 16 Prozent erhalten BAföG – und davon sagen 72 Prozent, dass es nicht reicht. Nebenjobs und familiäre Unterstützung spielen eine zentrale Rolle. Der VBE fordert deshalb eine Reform des BAföG sowie die Einführung bezahlter Praxisformate.

Was der VBE jetzt fordert

Der Verband Bildung und Erziehung (VBE) leitet aus den Studienergebnissen vier Kernforderungen ab:

  1. Mehr und bessere Praxisphasen: Längere Tagespraktika, besser begleitete Blockpraktika und klar geregelte Kooperationen mit Schulen.
  2. Studium realitätsnäher gestalten: Schlüsselkompetenzen wie Inklusion, Elternarbeit oder Stressmanagement curricular verankern.
  3. Fachdidaktik stärken: Mehr berufsbezogene Anteile und praxisnahe Methoden im Fachstudium.
  4. Finanzielle Entlastung: BAföG-Reform, bezahlte Praxisphasen, keine Sommerarbeitslosigkeit beim Übergang in den Schuldienst.

Zur Studie

Die SINUS-Studie basiert auf einer repräsentativen Befragung von 847 Lehramtsstudierenden an sechs PHs in Baden-Württemberg. Ergänzt wurde sie durch eine Kontrollgruppe von 357 Lehrkräften im Vorbereitungsdienst. Die Ergebnisse zeigen übergreifend konsistente Trends und lassen klare strukturelle Herausforderungen erkennen.

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