Worum geht es?
Im fiktiven Ort Bützenich, dessen Bewohner eigentlich für den Braunkohletagebau umgesiedelt wurden, scheint die Zeit stehen geblieben zu sein. Die Umsiedlung war beschlossene Sache – doch die Klimawende macht plötzlich alles rückgängig: Das alte Dorf soll nun doch bleiben. Die Rückkehr in die Heimat bringt allerdings keine Erlösung, sondern reißt alte Wunden auf.
Foto: © WDR/Bavaria Fiction GmbH/Martin Valentin Menke
Der Hausarzt Dr. Christian Franzen wird nach einem Einbruch in seinem alten Haus tot aufgefunden – erschossen. Obwohl er einst die medizinische Anlaufstelle für das ganze Dorf war, war er bei vielen unbeliebt. Die Ermittlungen von Ballauf (Klaus J. Behrendt) und Schenk (Dietmar Bär) führen tief hinein in eine Dorfgemeinschaft, die längst keine mehr ist.
Tatort mit Tiefgang und aktuellem Bezug
„Abbruchkante“ erzählt mehr als nur einen Kriminalfall. Es geht um verpasste Chancen, zerbrochene Lebensentwürfe und die gesellschaftlichen Folgen von Strukturwandel und Klimapolitik. Dabei steht der Fall exemplarisch für das, was viele Regionen in Deutschland aktuell erleben: Eine Zukunft voller Ungewissheit und ein Rückblick, der von Enttäuschung geprägt ist.
Foto: © WDR/Bavaria Fiction GmbH/Martin Valentin Menke
Die Kamera von Theo Bierkens fängt die trostlose Atmosphäre zwischen verlassenen Häusern und dem „neuen Leben“ in Neu-Bützenich eindrucksvoll ein. Regisseur Torsten C. Fischer inszeniert die Geschichte ruhig, aber mit großer emotionaler Wucht. Besonders stark: Barbara Nüsse als ehemalige Pensionswirtin Karin Bongartz, die dem Film eine melancholische Tiefe verleiht.
Unsere Kritik
„Abbruchkante“ ist kein einfacher Krimi. Die Folge nimmt sich viel Zeit, um ein komplexes Geflecht aus persönlichen Tragödien und kollektiver Entwurzelung zu entfalten. Die Tat-Dynamik wird nicht über schnelle Wendungen erzeugt, sondern über die drückende Stimmung und das Zusammenspiel starker Charaktere.
Die Auflösung – eine mehrteilige Gemeinschaftstat, die durch unterschiedliche Motivationen gespeist wird – überrascht nicht durch einen großen Twist, sondern durch ihre emotionale Wucht. Besonders gelungen ist die Zeichnung der Figuren, die nicht einfach Täter oder Opfer sind, sondern tief verunsicherte Menschen mit gebrochenen Biografien.
Einziger kleiner Kritikpunkt: Manche Szenen wiederholen Informationen unnötig, wodurch sich der Film stellenweise etwas zieht. Doch das schmälert den Gesamteindruck kaum.
Beeindruckende Quoten bei der Erstausstrahlung
Bei der Erstausstrahlung am 26. März 2023 verfolgten 9,8 Millionen Zuschauer in Deutschland den Kölner Fall – ein starker Marktanteil von 31,0 Prozent. In der werberelevanten Zielgruppe der 14- bis 49-Jährigen waren es 1,82 Millionen Zuschauer, was einem Marktanteil von 23,1 Prozent entsprach.
Fazit
Ein sehenswerter Tatort, der mehr ist als ein Krimi: „Abbruchkante“ ist ein Gesellschaftsdrama über die Narben des Strukturwandels – traurig, intensiv und absolut relevant.
Tatort: Abbruchkante – heute um 20:15 Uhr in der ARD. Nicht verpassen!