Land bringt modernisiertes Nichtraucherschutzgesetz auf den Weg
Das alte Gesetz stammt aus dem Jahr 2007, zuletzt angepasst 2009. Seitdem hat sich das Konsumverhalten massiv verändert – und genau darauf reagiert die Landesregierung jetzt mit einer der umfassendsten Modernisierungen seit Einführung des Nichtraucherschutzes.
E-Zigaretten, Tabakerhitzer, Cannabis-Dampf: Gesetz reagiert auf moderne Konsumformen
Eine der wichtigsten Neuerungen betrifft die klare Ausweitung des Begriffs „Rauchen“. Während frühere Regelungen fast ausschließlich klassische Tabakprodukte im Blick hatten, werden nun sämtliche modernen Konsumformen einbezogen – egal ob sie auf Nikotin, aromatisierte Liquids oder Cannabis setzen.
Damit gelten die Schutzbestimmungen künftig auch für E-Zigaretten, Tabakerhitzer und vergleichbare Geräte. Die Landesregierung begründet diesen Schritt mit Erkenntnissen aus der Gesundheitsforschung und der breiten Zustimmung im Bürgerforum. Das Risiko von Passivrauch – oder besser: Passiv-Aerosol – wird nun nicht länger nur als Tabakproblem betrachtet, sondern als umfassende Gesundheitsgefahr.
Strengere Verbote – drinnen wie draußen
Besonders deutlich wird der neue Kurs bei den Orten, an denen künftig nicht mehr geraucht werden darf. Während Innenräume ohnehin schon weitgehend rauchfrei waren, soll das Verbot jetzt für alle öffentlich zugänglichen Innenbereiche gelten – ohne Ausnahmen, die es in der Vergangenheit immer wieder gegeben hatte.
Neu ist jedoch die deutliche Ausweitung im Freien. Rauchen auf Spielplätzen gehört der Vergangenheit an, ebenso das Dampfen an Bushaltestellen, Straßenbahnhaltestellen und auf Schulhöfen. Die Landesregierung begründet das damit, dass sich gerade dort Menschen aufhalten, die Passivrauch weder vermeiden noch seine Auswirkungen abschätzen können.
Auch Bereiche, die bisher weniger im Fokus standen, rücken nun stärker in den Blick: Zoos, Freizeitparks und Freibäder sollen künftig grundsätzlich rauchfrei sein, es sei denn, Betreiber richten klar abgegrenzte Raucherzonen ein. Diese Neuerung geht direkt auf Vorschläge des Bürgerforums zurück, das sich bei den Beratungen besonders stark für einen familienfreundlicheren Schutzraum ausgesprochen hatte.
Gastronomie: Rauchen bleibt möglich – aber unter strengen Auflagen
Ganz ohne Ausnahmen kommt das Gesetz nicht aus. In der Gastronomie sollen weiterhin Rauchernebenräume erlaubt sein. Allerdings verschärft das Land hier die Bedingungen deutlich. Zum einen dürfen diese Räume nur noch von Volljährigen betreten werden, zum anderen müssen Betriebe schon am Eingang klar sichtbar darauf hinweisen, dass es einen entsprechenden Nebenraum gibt.
Die Landesregierung betont, dass man hier verschiedene Interessen abgewogen habe: den Gesundheitsschutz einerseits, die wirtschaftlichen und betrieblichen Realitäten andererseits. Ziel sei eine Lösung, die praktikabel ist, ohne den ursprünglichen Schutzzweck zu verwässern.
Höhere Bußgelder sollen für konsequente Umsetzung sorgen
Um die neuen Regeln durchzusetzen, werden die Bußgelder deutlich angehoben. Wer gegen Rauchverbote verstößt, muss künftig mit bis zu 200 Euro rechnen. Bei Wiederholungen steigt der Betrag auf bis zu 500 Euro. Damit entsteht ein spürbares Signal, dass der Staat den Gesundheitsschutz ernster nimmt als bisher.
Dass die Bußgelder erhöht werden, wurde sowohl in der Verbändeanhörung als auch im Bürgerforum begrüßt – mit dem Hinweis, dass Schutz nur funktionieren kann, wenn Verstöße auch weh tun.
Ein landesweites Pilotprojekt: Bürgerforum schreibt am Gesetz mit
Besonders bemerkenswert ist der Prozess, wie dieses Gesetz entstanden ist. Zum ersten Mal überhaupt hat Baden-Württemberg ein Bürgerforum direkt in ein laufendes Gesetzgebungsverfahren integriert. 51 zufällig ausgewählte Bürgerinnen und Bürger diskutierten über Wochen hinweg mit Fachleuten, Juristen und Gesundheitswissenschaftlern. Sie formulierten eine ausführliche Stellungnahme, die der Landesregierung schließlich überreicht wurde – und deren Inhalte sich nun klar im Gesetzestext wiederfinden.
Parallel dazu haben 35 Verbände ihre Sicht eingebracht, während insgesamt 116 Organisationen die Möglichkeit zur Stellungnahme hatten. Für Staatsrätin Barbara Bosch ist das ein Meilenstein: eine offenere, transparentere und partizipativere Gesetzgebung, die bundesweit in dieser Form bisher einzigartig ist.
Dass Minister Lucha und Bosch direkt nach der Ministerratssitzung erneut das Gespräch mit dem Bürgerforum suchten, zeigt den Stellenwert, den das Land diesem Beteiligungsmodell beimisst. Aus Sicht der Landesregierung ist der Entwurf ein „Gemeinschaftswerk“, das von Bürgerinnen und Bürgern ebenso geprägt wurde wie von Expertinnen und Experten.