Der Ursprung des modernen Muttertags
Im 19. Jahrhundert gab die Frauenbewegung in England und den USA dem Muttertag seine heutige Form. Ann Maria Reeves Jarvis initiierte in Amerika den „Mothers Friendships Day“, um Müttern Raum für Diskussionen über soziale Fragen zu geben. Julia Ward Howe schlug 1870 den „Mütter-Friedenstag“ vor, motiviert durch das Ziel, Mütter vor dem Verlust ihrer Söhne im Krieg zu schützen. Diese Aktionen markierten den Beginn eines neuen gesellschaftlichen Bewusstseins für Frauenrechte und Frieden.
Anna Jarvis: Die Pionierin
Anna Jarvis, die Tochter von Ann Jarvis, legte 1907 den Grundstein für den heutigen Muttertag, indem sie ein Gedenktreffen für ihre verstorbene Mutter organisierte und dabei 500 weiße Nelken verteilte, als Zeichen der Reinheit und Liebe. Ihre unermüdliche Arbeit führte dazu, dass der Muttertag schnell an Beliebtheit gewann und 1914 vom US-Kongress offiziell anerkannt wurde, wobei sie stets eine kommerzielle Ausnutzung des Tages ablehnte.
Foto: Gemeinfrei / Wikipedia
Die Anfänge des Muttertags in Deutschland
Der Muttertag wurde 1923 vom Verband Deutscher Blumengeschäftsinhaber offiziell eingeführt. Der Verband nutzte den Tag, um den Blumenverkauf anzukurbeln – ein geschäftstüchtiger Schachzug, der allerdings auch dazu diente, den Wert der Mutterschaft in der Gesellschaft zu erhöhen. Unter dem Motto „Ehret die Mutter“ wurde der Tag schnell zu einer festen Institution. Die Einführung des Muttertags war dabei bewusst unpolitisch gestaltet und zielte darauf ab, eine breite Anerkennung von Müttern zu fördern, ohne dabei eine bestimmte politische Agenda zu verfolgen.
Propaganda im Dritten Reich
Die Machtergreifung der Nationalsozialisten 1933 markierte jedoch einen dramatischen Wendepunkt für den Muttertag. Der Tag wurde schnell in die nationalsozialistische Ideologie integriert und zu einem Instrument der Staatspropaganda gemacht. Der Muttertag passte perfekt zur nationalsozialistischen Betonung der Familie und der Rolle der Frau als Gebärerin und Erzieherin der „arischen Rasse“. Der Muttertag wurde genutzt, um die Ideale der „germanischen Herrenrasse“ zu propagieren und wurde zunehmend mit staatlichem Zeremoniell und ideologischer Aufladung versehen.
1934 wurde der Muttertag als offizieller Feiertag im Deutschen Reich anerkannt. Die Feierlichkeiten nahmen oft den Charakter von staatlich inszenierten Veranstaltungen an, bei denen kinderreiche Mütter besonders geehrt und als „Heldinnen der Nation“ gefeiert wurden. 1938 führte das Regime das „Ehrenkreuz der Deutschen Mutter“ ein, eine Auszeichnung, die Müttern verliehen wurde, die besonders viele Kinder zur Welt gebracht hatten. Dieser Orden wurde jährlich am Muttertag verliehen und symbolisierte die ideologische Verknüpfung von Mutterschaft und nationalsozialistischer Politik.
Nachkriegszeit und Neubewertung
Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs musste der Muttertag in Deutschland neu bewertet werden. Die unmittelbare Assoziation mit der Nazi-Propaganda warf Schatten auf den Tag. In der Bundesrepublik Deutschland wurde der Muttertag jedoch schnell wiederbelebt, allerdings jetzt frei von politischer Instrumentalisierung. Er wurde erneut zu einem Tag der persönlichen Wertschätzung und Anerkennung für Mütter.
In der DDR hingegen wurde der Muttertag nicht offiziell begangen. Stattdessen lag der Fokus auf dem Internationalen Frauentag am 8. März, der als der wichtigere Tag zur Ehrung der Frauen betrachtet wurde.
Heutige Bedeutung
Heute wird der Muttertag in Deutschland weitgehend als ein kommerzieller und familienorientierter Feiertag angesehen, der von den politischen Lasten seiner Vergangenheit befreit ist. Blumengeschäfte und Einzelhändler nutzen den Tag, um Sonderaktionen und Werbekampagnen zu starten, während Familien diesen Tag nutzen, um die Mütter in ihrem Leben zu ehren und zu feiern. Obwohl der Muttertag eine komplexe und manchmal kontroverse Geschichte hat, bleibt sein Kerngedanke die Anerkennung der Rolle der Mutter in der Gesellschaft.