Aktueller Stand: Interesse, aber noch keine Übernahmen

China auf Einkaufstour bei VW-Werken in Deutschland?

Derzeit gibt es keine abgeschlossenen Übernahmen deutscher VW-Werke durch chinesische Unternehmen. Allerdings verdichten sich die Hinweise auf Verhandlungen: Mehrere chinesische Autohersteller und Regierungsstellen haben ein Auge auf Volkswagen-Fabriken in Deutschland geworfen, die vor der Schließung stehen.
China auf Einkaufstour bei VW-Werken in Deutschland?
China auf Einkaufstour bei VW-Werken in Deutschland?
Foto: Ivan Radic – https://www.flickr.com/photos/26344495@N05/40385605093/, CC BY 2.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=95910547

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Besonders im Fokus steht das VW-Werk Osnabrück, dessen Produktion (VW T-Roc Cabrio) Ende 2027 auslaufen soll. Auch das kleinere Werk Dresden (ID.3-Fertigung) soll Ende 2025 stillgelegt werden. Insider berichten, Volkswagen sei offen für einen Verkauf – so würde der Konzern einen chinesischen Käufer für Osnabrück prinzipiell begrüßen. Konkrete Deals wurden zwar noch nicht verkündet, doch VW-Chef Oliver Blume bestätigte erstmals Gespräche mit chinesischen Partnern über eine mögliche Nutzung deutscher Werke.

Preise: Günstige Angebote statt teurer Stilllegung

Sollte es zu Verkäufen kommen, würden die Preise vergleichsweise günstig ausfallen. Laut einem mit VW vertrauten Banker wäre Verkaufen billiger als Schließen – man rechnet mit nur rund 100 bis 300 Millionen Euro pro Werk. Diese Summen wirken niedrig, wenn man bedenkt, dass der Aufbau eines neuen Autowerks meist Milliarden kostet. Warum also dieser „Schnäppchenpreis“? Zum einen müssten bei einer Werksschließung hohe Abfindungen und Folgekosten gezahlt werden, die Volkswagen durch einen Verkauf vermeiden könnte. Zum anderen handelt es sich um Standorte mit Überkapazitäten: VW hat in den letzten Jahren mit sinkenden Absätzen und Produktionsüberschuss zu kämpfen. In Deutschland wurden 2024 nur rund 900.000 Fahrzeuge gebaut – viel weniger als die Kapazität hergibt. Der Konzern hat daher im Dezember 2024 mit dem Betriebsrat ein Sparpaket vereinbart, um die Produktion bis 2030 um etwa 730.000 Fahrzeuge pro Jahr zu reduzieren.

Wirtschaftliche Hintergründe: Überkapazitäten hier, Marktdruck dort

Mehrere Faktoren treiben diese Entwicklung:

  • Überkapazitäten bei VW: Europas größter Autohersteller steckt in der Krise. Steigende Kosten und schwächelnde Verkäufe setzen VW unter Druck. Insbesondere die Konkurrenz aus China macht dem Konzern zu schaffen – chinesische Elektroauto-Marken erobern Marktanteile, während VW beim Absatz ins Stocken gerät. VW musste bereits Nachtschichten streichen und Produktionsziele senken, um sich der geringeren Nachfrage anzupassen. Ungenutzte Werke wie Dresden (nur ~340 Beschäftigte) und Osnabrück (~2300 Beschäftigte) sind für VW Kostenfaktoren.
  • Chinesische Expansionspläne: Gleichzeitig drängen Chinas Autobauer nach Europa. Marken wie BYD, Chery oder Leapmotor wachsen rasant und wollen Europas anspruchsvolle Kunden erobern. Allerdings erschweren EU-Zölle und Handelshürden den Export chinesischer E-Autos nach Europa. Eine Produktion vor Ort wäre ein eleganter Ausweg: Werden die Fahrzeuge in der EU gebaut, entfallen Importzölle auf E-Autos, die die EU wegen chinesischer Subventionen verhängt hat. Zudem sparen chinesische Hersteller Transportkosten und können schneller auf lokale Marktbedürfnisse reagieren. Ein gekauftes VW-Werk in Deutschland wäre für chinesische Hersteller ein Sprungbrett, um den europäischen Markt zu erobern, und würde ihnen einen Prestigegewinn verschaffen – schließlich gilt ein Fuß in Deutschlands Autoindustrie als strategisch wertvoll.
  • Win-Win-Potenzial? Aus wirtschaftlicher Sicht könnte eine solche Übernahme beiden Seiten nutzen: VW reduziert Kosten und sichert möglicherweise Arbeitsplätze am Standort, wenn auch unter neuem Vorzeichen. Chinesische Hersteller erhalten im Gegenzug schlüsselfertige Fabriken mit eingespielter Belegschaft und bestehendem Zulieferernetz. Die Übernahme bestehender Anlagen spart Zeit und Investitionsaufwand im Vergleich zum Neubau eines Werkes. Ein Beispiel: In Spanien übernimmt Chinas Chery Auto eine ehemalige Nissan-Fabrik, um dort schon 2024 Elektroautos zu produzieren. Solche Modelle zeigen, dass Übernahmen brachliegender Werke eine schnelle Markterschließung ermöglichen.

Beteiligte Unternehmen und Pläne

Volkswagen hat intern bereits Maßnahmen eingeleitet. Statt ganze Werke sofort zu schließen, wird über alternative Nutzung nachgedacht. Für Osnabrück wird aktiv nach einem „Nachfolger“ gesucht, der die Anlage weiterbetreibt. Laut Reuters steht VW der Option chinesischer Investor ausdrücklich offen gegenüber. Ein VW-Sprecher betonte jedoch, man suche „eine tragfähige Lösung im Interesse des Unternehmens und der Mitarbeiter“ und kommentierte Gerüchte über ein konkretes Angebot nicht.

Chinesische Autohersteller werden in diesem Zusammenhang nicht namentlich genannt, doch Brancheninsider vermuten Interesse vor allem von großen E-Auto-Marken. BYD, der derzeit erfolgreichste chinesische EV-Hersteller, wird immer wieder als Kandidat gehandelt – er hat bereits Produktionsstätten in Ungarn und plant eine in Türkei. BYD schaute sich Berichten zufolge auch Fords Werk in Saarlouis (Deutschland) an, ohne dass daraus etwas wurde. Chery Auto sondiert aktiv Optionen in Europa und Leapmotor arbeitet mit Stellantis in Polen zusammen. Interessant ist auch, dass Volkswagens eigene China-Partner – also SAIC, FAW und JAC – theoretisch infrage kämen. Diese Joint-Venture-Partner betreiben mit VW große Werke in China, haben aber noch keine eigenen Fertigungen in Europa. VW-Chef Blume hat nach eigenen Angaben mit den China-Partnern über deren Expansionspläne in Europa gesprochen. Zwar gebe es noch keine konkreten Entscheidungen, aber man bereite sich sorgfältig vor.

Politische Reaktionen und Einschätzungen

Ein möglicher Verkauf deutscher VW-Werke an China ist politisch brisant. Volkswagen ist ein Symbol der deutschen Industrie – ein Einstieg Chinas in diesem Kernbereich würde genau beobachtet. Die Beziehungen zwischen und Peking haben sich zuletzt abgekühlt; die stuft China inzwischen als „systemischen Rivalen“ ein. Außenministerin Annalena Baerbock sorgte 2023 für Aufsehen, als sie Chinas Präsident Xi Jinping als „Diktator“ bezeichnete. Vor diesem Hintergrund wäre eine Übernahme von VW-Produktionsstätten wohl die heikelste China-Investition in Deutschland bislang.

Die Bundesregierung hat kein generelles Verbot gegen chinesische Investitionen, prüft diese aber zunehmend kritisch. In sicherheitsrelevanten Branchen hat Wirtschaftsminister Robert Habeck bereits mehrfach Verkäufe gestoppt – etwa 2024 den Verkauf einer VW-Turbinen-Tochter an einen chinesischen Rüstungskonzern. Ein Automobilwerk zählt zwar nicht direkt zur kritischen Infrastruktur, doch könnte die Regierung bei strategischen Bedenken (z.B. Know-how-Abfluss oder Abhängigkeiten) Auflagen machen.

Die chinesische Regierung hingegen signalisiert großes Interesse und drängt auf Offenheit. Ein Sprecher des chinesischen Außenministeriums betonte, man hoffe, Deutschland bleibe „aufgeschlossen“ und biete chinesischen Firmen ein faires, nicht-diskriminierendes Investitionsumfeld.

Fazit: Pläne in der Schwebe, wachsames Abwägen

Derzeit hat China noch keine deutschen VW-Werke gekauft, doch das Interesse chinesischer Autobauer ist . Volkswagen wiederum schließt einen Verkauf nicht aus, um seine Überkapazitäten abzubauen. Sollte es zu einem Deal kommen, dürften die Kaufpreise relativ niedrig sein. Die wirtschaftlichen Motive sind auf beiden Seiten nachvollziehbar – VW spart Kosten und China umgeht Handelsbarrieren. Allerdings bewegt man sich in einem politischen Spannungsfeld. Jede konkrete Übernahme müsste sorgfältig geprüft und vermittelt werden, um Akzeptanz zu finden.

Quellen: businessinsider, t-online, auto-motor-und-sport, just-auto/FT u.a., golem.de

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