Niedersachsen hat eine 56-jährige Uigurin aus der chinesischen Region Xinjiang nach China abgeschoben. Dort könnte ihr eine Haftstrafe oder Umerziehungsmaßnahmen drohen. Diese Abschiebung erfolgte offenbar entgegen der ursprünglich vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) getroffenen Festlegung, wonach die Türkei als Zielstaat vorgesehen war. Die Ausländerbehörde im Landkreis Rotenburg an der Wümme setzte sich über diese Vorgabe hinweg.
Adrian Zenz, ein Anthropologe und Experte für die Verfolgung der Uiguren, bezeichnete den Vorfall als „handfesten Skandal, einem niedersächsischen Menschenrechtsverbrechen“. Die Betroffene wurde am 3. November von Frankfurt per Linienflug nach Peking gebracht. Als Angehörige der muslimischen Minderheit der Uiguren ist sie in China massiver Repression ausgesetzt. Nach ihrer Ankunft in Peking blieb sie jedoch unbehelligt und konnte über Dubai in die Türkei weiterreisen, wo sie sich derzeit in Istanbul befindet.
Das niedersächsische Innenministerium erklärte, nicht über die Abschiebung informiert worden zu sein. Innenministerin Daniela Behrens (SPD) sprach von einem „bedauerlichen Fall“ und betonte, es sei „selbstverständlich nicht das Ansinnen der Landesregierung, dass Angehörige der uigurischen Minderheit nach China abgeschoben werden.“ Der Grünen-Rechtspolitiker Helge Limburg kritisierte das Vorgehen und nannte es einen „Verstoß gegen das Grundgesetz und die Europäische Menschenrechtskonvention“. Er äußerte Unverständnis darüber, warum nicht zumindest eine Abschiebung in die Türkei vorgenommen wurde.
Der Landkreis Rotenburg hingegen verteidigte sein Vorgehen und gab an, „die Vorgaben des Bamf umgesetzt“ zu haben. Ein Schreiben der Ausländerbehörde vom 19. Juni 2025 hatte die Frau darauf hingewiesen, dass das Bamf sie zur Ausreise in die Türkei aufgefordert hatte. Weiter hieß es in dem Schreiben, dass ihr im Falle der Nichtbefolgung die Abschiebung in die Türkei angedroht werde. Da sie jedoch keine türkischen Ausweisdokumente besitze, wurde ihr mitgeteilt, dass sie im Falle einer Abschiebung nicht in die Türkei, sondern nach China abgeschoben würde. Ein ähnlicher Fall aus dem Jahr 2018, bei dem ein Uigure aus München nach China abgeschoben wurde, hatte einen Kommunikationsfehler zwischen Behörden als Ursache. Seither galten Abschiebungen von Uiguren nach China als praktisch ausgesetzt.

