Die Hiobsbotschaften für Bahnkunden im Südwesten reißen nicht ab. Die Landesregierung hat am Dienstag, 27. Mai 2025, unmissverständlich klargemacht, dass es so nicht weitergehen kann. Trotz dringend notwendiger Sanierungen und Ausbaumaßnahmen muss der Schienenverkehr (SPNV) verlässlich bleiben.
Pendler-Frust im Ländle: Land sagt Baustellen-Chaos den Kampf an
Das Land Baden-Württemberg will die Deutsche Bahn (DB) nun tatkräftig unterstützen, aber auch stärker in die Verantwortung nehmen, um die Herausforderungen durch die Flut an Baustellen besser zu meistern.
Kretschmann: „Der beste Zug nützt nichts, wenn er nicht pünktlich ankommt“
Ministerpräsident Winfried Kretschmann fand nach der Sitzung des Ministerrates deutliche Worte: „Seit vielen Jahren investieren wir massiv in ein besseres und größeres Angebot im Zugverkehr, um mehr Fahrgäste für die Schiene zu gewinnen. Doch der beste Zug nützt nichts, wenn er nicht pünktlich ankommt oder ganz ausfällt. Hauptursache dafür ist die über Jahrzehnte vernachlässigte Eisenbahninfrastruktur im Netz der Deutschen Bahn (DB). Der Bund hat das endlich erkannt und erhöht seine Investitionen erheblich. Das begrüßen wir sehr. Doch die notwendigen Baustellen beeinträchtigen derzeit die Zuverlässigkeit im ganzen Land massiv. Wir werden die Deutsche Bahn nach Kräften unterstützen, um diese Herausforderung besser als bisher zu meistern und den Fahrgästen eine gewisse Verlässlichkeit bieten zu können.“ Verkehrsminister Winfried Hermann hatte zuvor im Kabinett über die prekäre Lage berichtet.
Eine spezielle Task Force, eingesetzt nach einer Lenkungskreissitzung mit den Projektpartnern Land, Verband Region Stuttgart, Landeshauptstadt Stuttgart und der DB, soll bereits die Folgen der Baumaßnahmen im Großraum Stuttgart abmildern, insbesondere im Hinblick auf die Inbetriebnahme von Stuttgart 21.
Verkehrsminister Hermann: „Das Baustellenmanagement muss fahrgastfreundlicher werden!“
Doch Verkehrsminister Hermann macht klar, dass das Problem weit über Stuttgart hinausgeht: „Die Vielzahl gleichzeitiger, oft kurzfristiger und nicht rechtzeitig geplanter Baustellen trifft unsere Fahrgäste im ganzen Land wirklich hart. Ankündigungen von mehr als zwei Drittel aller Sperrungen in Baden-Württemberg erreichen die Verkehrsunternehmen aktuell nicht in den geltenden Fristen und damit deutlich zu kurzfristig.“ Dies belaste auch die Bahn-Mitarbeiter enorm.
Hermann nannte krasse Beispiele: Bauarbeiten auf der Hochrheinstrecke seien teils erst drei Wochen vorher angekündigt worden. Der Bahnhof Crailsheim war Mitte Mai wegen extrem kurzfristiger Baumaßnahmen kaum erreichbar. Im Februar wurde der Nordzulauf zum Stuttgarter Hauptbahnhof binnen weniger Tage gesperrt. „Am Tag der Sperrung waren nicht einmal die digitalen Fahrplandaten aktuell. Das alles darf es so nicht mehr geben,“ so Hermann. „Wir wollen die Zahl der Fahrgäste in den Zügen für den Klimaschutz verdoppeln. Es steigen auch immer noch Menschen auf den Zug um. Deshalb ist es so wichtig, dass wir sie nicht mit Baustellenchaos vertreiben. Das Baustellenmanagement muss besser, also fahrgastfreundlicher werden.“
Konkrete Forderungen: Das erwartet das Land jetzt von der Bahn-Tochter InfraGO
Bereits 2023 hatte das Land mit einem „Aktionsplan Qualität im SPNV“ Weichen gestellt. Doch rund 80 Prozent der Ausfälle seien infrastrukturbedingt. Daher hat das Verkehrsministerium klare Anforderungen an die DB-Infrastruktursparte InfraGO formuliert:
- Baustellen müssen so organisiert sein, dass der Zugverkehr zuverlässig bleibt.
- InfraGO soll Planungsteams verstärken und zusätzliche, entscheidungsbefugte Koordinatoren einsetzen.
- Für den Knoten Stuttgart wird ein zentral gesteuerter Schienenersatzverkehr während Streckensperrungen gefordert, ähnlich der Riedbahnsanierung, mit substanzieller Kostenbeteiligung der DB.
- Verbindliche Fristen für alle Beteiligten – bei Abweichungen soll InfraGO Folgekosten tragen.
- Offene und gleichberechtigte Zusammenarbeit aller Akteure.
Bahngipfel am 1. Juli: Top-Ebene sucht Lösungen für die Schiene
Um diesen Forderungen Nachdruck zu verleihen und konkrete Lösungen zu beschließen, lädt das Land am 1. Juli 2025 zu einem „Bahngipfel Baden-Württemberg“. Unter Leitung von Ministerpräsident Kretschmann, Verkehrsminister Hermann und dem DB-Vorstandsvorsitzenden Dr. Richard Lutz sollen nicht nur das Baustellenmanagement, sondern auch die Weiterentwicklung des Bahnverkehrs im Land insgesamt auf den Prüfstand. „Der Bahngipfel schafft das Forum, um offene Fragen auf höchster Ebene zu lösen, vom Baustellenmanagement bis zur Digitalisierung des Netzes. Unser Ziel bleibt klar: Ein attraktiver, barrierefreier und pünktlicher Zugverkehr, den die Menschen im ganzen Land gerne nutzen“, betonte Hermann. Themen werden eine frühzeitige Baustellenplanung, abgestimmte Ersatzverkehre, Informationsketten, Bahnhofsmodernisierung, Aus- und Neubau sowie Elektrifizierung und Digitalisierung sein.
