Im Eukalyptusgehege der Wilhelma bewegt sich etwas, das man leicht übersieht, wenn man nicht genau hinschaut, denn unter dem dichten Fell von Koala-Dame Auburn zuckt es plötzlich, dann wieder nicht, dann schiebt sich für einen Moment ein winziges Füßchen nach außen, bevor es sofort wieder verschwindet.
Ganz kurz.
Dann nichts.
Wer Geduld mitbringt, sieht mehr, denn manchmal wagt sich sogar ein kleines Köpfchen aus dem Beutel, schaut vorsichtig in die Welt und zieht sich dann wieder zurück, als müsse es erst prüfen, ob draußen wirklich alles stimmt.
Winzig bei der Geburt
Volker Grün, Kurator der Terra Australis, der Australienwelt in der Wilhelma, erklärt:
„Zur Welt gekommen ist unser Joey – so nennt man die Jungtiere bei den Beuteltieren – bereits Ende Juni. Davon war aber erst einmal nichts zu sehen. Bei der Geburt sind die Joeys nämlich gerade einmal so groß wie Gummibärchen. Fünf bis sechs Monate später schauen sie erstmals aus dem Beutel der Mutter. Bis sie diesen ganz verlassen haben, vergehen aber noch weitere Wochen.“
Winzig. Schutzlos. Abhängig.
Diese ersten Lebensmonate verbringen Koala-Jungtiere fast vollständig im Beutel der Mutter, wo sie wachsen, trinken und lernen, während draußen nur kleine Bewegungen verraten, dass dort überhaupt jemand ist.

Foto: Wilhelma Stuttgart/Terra Australis
Auburn und Aero
Die Mutter des Jungtiers ist die fünf Jahre alte Auburn, der Vater der sieben Jahre alte Aero, und noch kennt niemand das Geschlecht des Nachwuchses, weil das Tierpfleger-Team bewusst auf jede unnötige Kontrole verzichtet. Ruhe zählt hier mehr als Neugier.
Alle erwachsenen Koalas der Wilhelma stammen aus Nachzuchten der Dreamworld Wildlife Foundation in Australien. Das ist kein Zufall. Das ist Strategie.
Publikumsliebling mit Auftrag
Seit der Eröffnung der Terra Australis im Frühjahr 2023 gehören die Koalas zu den beliebtesten Tieren der Wilhelma, nicht zuletzt, weil der Zoologisch-Botanische Garten Stuttgart nur einer von insgesamt vier Zoos in Deutschland ist, in denen die eukalyptusfressenden Beuteltiere überhaupt zu sehen sind.
Selten. Begehrt.
Wilhelma-Direktor Dr. Thomas Kölpin sagt dazu:
„Dass sich nun zum Ende der Adventszeit wieder ein Jungtier bei den Koalas zeigt, ist für uns wie ein Weihnachtsgeschenk.“
Kurz. Ehrlich. Treffend.

Foto: Wilhelma Stuttgart/Birger Meierjohann
Bedroht in Australien
Doch hinter der Freude steckt auch Ernst, denn Koalas gelten in Australien laut der Weltnaturschutzunion IUCN als gefährdet.
Was Dr. Thomas Kölpin ebenfalls klar benennt:
„Auch für das europäische Ex Situ-Zuchtprogramm ist jedes einzelne Jungtier von enormer Bedeutung.“
Lebensraumverlust durch Abholzung und Bebauung zählt zu den Hauptursachen, hinzu kommen Busch- und Waldbrände, die sich durch den Klimawandel häufen, sowie Verkehr und Angriffe durch Haushunde, besonders in Siedlungsnähe.
Eine Spirale.
Alleine in Queensland, so heißt es weiter, ist die Koala-Population seit der Jahrtausendwende um mehr als 50 Prozent zurückgegangen, was zeigt, wie dringend Schutzmaßnahmen sind, auch wenn diese Zahlen schwer exakt zu erfassen bleiben.
Hoffnung im Beutel
Dr. Thomas Kölpin bringt es auf den Punkt:
„Die Koalas in europäischen Zoos sind darum zum einen Botschaftertiere, die auf die Problematiken in Down Under aufmerksam machen – zum anderen bilden sie angesichts des massiven Bestandrückgangs in der Natur eine immer wichtiger werdende Reservepopulation.“
Große Verantwortung. Kleine Pfoten.
Während Auburn ihr Jungtier weiter sicher im Beutel trägt, wächst in der Wilhelma nicht nur ein Koala heran, sondern auch die Hoffnung, dass solche Geschichten irgendwann wieder Normalität sind – und nicht mehr die Ausnahme.


