Die Tochtergesellschaft DB Fernverkehr der Deutschen Bahn steht offenbar kurz vor einer Eskalation der internen Stimmung. Dies geschieht nur Tage vor der mit Spannung erwarteten Vorstellung der neuen Konzernstrategie durch die frisch ernannte Bahn-Chefin Evelyn Palla. Eine Vielzahl von Mitarbeitern, darunter Lokführer, Zugbegleiter und Disponenten, artikuliert seit Monaten ihren Unmut, der auf eine anhaltende Überlastung und extrem lange Schichtzeiten zurückzuführen ist.
Auslöser dieser öffentlich gewordenen Frustration scheint ein Interview des Fernverkehrs-Vorstands Michael Peterson in der internen Belegschafts-App „Echt Klar“ zu sein. Im Anschluss daran machten zahlreiche Mitarbeiter ihrem Ärger in internen Chats Luft, oft unter Verwendung von Fotos und Klarnamen. Die „Süddeutsche Zeitung“ konnte eigenen Angaben zufolge Einblicke in diese Beiträge gewinnen und zitierte aus ihnen in ihrer Dienstagsausgabe.
Ein Mitarbeiter, Jochen D., beschreibt die Stimmung als desolat: „Keine Weihnachtsfeier mehr. Die Motivation ist bei den meisten Mitarbeitern eher schlecht. Wertschätzung gleich null.“ Sein Kollege Marcel D. fügt hinzu: „Wir müssen endlich aufhören, uns in die eigenen Taschen zu lügen.“
Die Zweifel an der Führungsebene, insbesondere an Michael Peterson und seinem Vorstandsteam, werden deutlich. Sascha K. hinterfragt offen: „Es muss alles im Konzern hinterfragt werden, auch wie es zusammenpasst, wenn Führungskräfte, die schon lange im Konzern sind, nun plötzlich den ‚Neustart‘ für richtig halten.“ Thomas J. drückt seine Verzweiflung aus: „Das ganze System ist so krank. Ich habe immer noch den Eindruck, dass sich unsere Führungskräfte zu sehr über die Anzahl der angestoßenen Projekte, Powerpoint-Präsentationen und Excel-Tabellen definieren.“
In seinem Interview mit „Echt Klar“ hatte Peterson unter anderem einen Abbau von rund 500 Stellen für das Jahr 2026 angekündigt. Zudem stellte er keine Besserung bei den als chaotisch empfundenen Schichtplänen in Aussicht und erklärte das Ende des Programms „Volles Funktionieren“, das eigentlich den Fernverkehr wieder stabilisieren sollte.
Zusätzlich dazu kursiert aus DB-Führungskreisen die Information, dass die bisherige Konzernstrategie „S3“ des ehemaligen Bahn-Chefs Richard Lutz „mit sofortiger Wirkung eingestellt“ worden sei. Die Ankündigung eines neuen Sanierungsprogramms stößt bei vielen Mitarbeitern auf sarkastischen Widerhall. Morris K., der erst seit 2017 im Konzern ist, fasst die Situation zusammen: „Zukunft Bahn – abgeschafft. Starke Schiene – abgeschafft. Volles Funktionieren – abgeschafft. S3 – abgeschafft.“ Er bemerkt, dass er in seinem Umfeld nur wenige kenne, die in so kurzer Zeit derart viele Sanierungs- und Effizienzprogramme miterlebt hätten. Er stellt die Frage: „Sind genau solche Dinge nicht auch maßgeblich daran beteiligt, warum das Vertrauen der operativen Personale in die Führungsebenen gegen null geht?“ Sein eigenes Vertrauen in die entscheidungsrelevanten Stellen sei jedenfalls „massiv verloren gegangen.“
(Mit Material der dts Nachrichtenagentur erstellt)


