Die Verfassungsrechtlerin Frauke Brosius-Gersdorf hat die Nichtwahl der Linken-Abgeordneten Clara Bünger in den Geheimdienst-Ausschuss des Bundestags scharf kritisiert. „Dass Bünger nicht gewählt worden sei, ist meines Erachtens verfassungsrechtlich bedenklich“, sagte Brosius-Gersdorf zu „T-Online“. Die Jura-Professorin argumentiert, dass jeder Ausschuss, der Aufgaben des Plenums übernimmt oder dessen Entscheidungen vorbereitet, ein verkleinertes Abbild des Plenums sein und dessen Zusammensetzung widerspiegeln müsse.
Brosius-Gersdorf merkte weiter an, dass nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts aus dem verfassungsrechtlichen Recht auf freies Mandat der Abgeordneten das Recht zur gleichberechtigten Mitwirkung an der Willensbildung und Entscheidungsfindung des Bundestags folge. „Als politische Kräfte sind die Fraktionen gleich und entsprechend ihrer Stärke zu behandeln. Die Mitwirkungsbefugnis der Abgeordneten erstreckt sich auch auf die Ausschüsse des Deutschen Bundestags.“
Die spiegelbildliche Zusammensetzung der Ausschüsse des Bundestags entsprechend der Fraktionsstärke diene unter anderem dem Minderheitenschutz, also dem Schutz der Opposition. „Deshalb besteht grundsätzlich die Pflicht zur Wahl der von den Fraktionen nominierten Kandidaten in die Ausschüsse“, so Brosius-Gersdorf. Eine Wahrung einer Brandmauer zu den Linken sei kein Grund, ihre Kandidatin nicht zu wählen.
Brosius-Gersdorf sieht jedoch auch die Möglichkeit eines Sonderfalls: Sie erklärte weiter, dass eine Nichtwahl nur legitim sei, wenn dafür ausnahmsweise ein Sachgrund existiere. Dies könne die Unzuverlässigkeit der betreffenden Fraktion oder die Nichtvertrauenswürdigkeit des von der Fraktion nominierten Kandidaten sein.
Die Vertrauenswürdigkeit und Verschwiegenheit der Mitglieder des Geheimdienst-Ausschusses sei von „elementarer Bedeutung“ für die Funktionsfähigkeit des Parlamentarischen Kontrollgremiums. Eine Nichtwahl sei im Interesse der Arbeits- und Funktionsfähigkeit des Geheimdienst-Ausschusses gegebenenfalls gerechtfertigt, wenn eine Partei oder Fraktion durch das Bundesamt für Verfassungsschutz beobachtet werde, führte Brosius-Gersdorf weiter aus.
Zu den im Sommer gescheiterten Kandidaten der AfD äußerte sich die Juristin auf Nachfrage nicht. Die Partei wird vom Bundesamt für Verfassungsschutz als rechtsextremistischer Verdachtsfall beobachtet.
Die Linke hatte es vergangene Woche auch im zweiten Anlauf nicht geschafft, einen Sitz im Geheimdienst-Ausschuss (PKGr) des Bundestags zu erhalten. Die Abgeordnete Bünger erreichte bei einer Abstimmung im Plenum nicht die nötige Mehrheit. Das PKGr hat neun Mitglieder, die beiden Sitze der AfD und jener der Linkspartei sind derzeit nicht besetzt. Der Grünen-Fraktionsvize Konstantin von Notz ist der einzige Vertreter der Opposition in dem Gremium. Die Union stellt drei Abgeordnete und die SPD zwei.
(Mit Material der dts Nachrichtenagentur erstellt)


