So lief Halbzeit 1: Von „alles im Griff“ zu Fan-Frust
Deutschland startete mit dem klaren Vorsatz, die 0:2-Pleite in der Slowakei abzuschütteln – und legte genau so los. In Minute 7 der frühe Befreiungsschlag: Nach robustem Zweikampf von Woltemade prallt die Kugel ideal in den Lauf von Serge Gnabry, der halbrechts durch ist und vor Peacock-Farrell eiskalt mit feinem Lupfer zum 1:0 vollendet. Genau der Auftakt, der Sicherheit geben sollte.
Die folgten zunächst auch: Druck über die Flügel, David Raum mit aktiven Läufen, Gnabry dauernd in Bewegung. In der 15. Minute verpasst Nick Woltemade nach flachem Querpass von Gnabry den Direktabschluss – drei Nordiren blocken. Standards (18.–20.) bringen nichts ein; Leweling wird in Minute 23 gerade noch gestoppt, als McCann seine scharfe Rückgabe vor Woltemade weggrätscht.
Dann kippt das Spiel. Antonio Rüdiger sieht für ein rustikales Stoppen von Price Gelb (26.) – ein Foul mit Signalwirkung: Nordirland wittert seine Chance, verschiebt höher, zwingt Deutschland zu ungenauen langen Bällen. Nach einem Standard köpft McNair noch drüber (31.), doch in der 34. Minute ist’s passiert: Ecke Devenny, zweiter Pfosten, Isaac Price hat sich von Gnabry gelöst und knallt die Direktabnahme aus sechs Metern unter die Latte – 1:1. Deutschland wackelt. Baumann muss nach langer Freistoßflanke per Faust klären (40.), Groß und Leweling lassen eine gute Szene aus (43.). Raums Traumabschluss aus 17 Metern zählt nicht – klares Abseits (45.). Kurz darauf rettet Kimmich im Strafraum gegen Reid (45.+). Dann der Pausenpfiff – und Pfiffe aus Teilen des RheinEnergieSTADION. Botschaft klar: Das Publikum erwartet mehr.
Der zweite Durchgang: zäh – bis Nagelsmann zündet
Nach Wiederanpfiff zunächst viel Leerlauf: Leweling flankt zu hoch (47.), Raum kommt an der Grundlinie nicht sauber zur Hereingabe (50.). Galbraith räumt Raum ab – Gelb (53.). Deutschland spielt „pomadig“, Nordirland verteidigt diszipliniert (56.–58.), Leweling schießt aus 19 Metern deutlich links vorbei (58.).
Dann reagiert Julian Nagelsmann konsequent: Doppelwechsel 61. – Amiri für Gnabry, Beier für Woltemade. Wirkung: sofort mehr Tiefe und Tempo. Peacock-Farrell muss nach kurz gezogenem Freistoß und Raums Abschluss erstmals zupacken (63.), Bradley sieht Gelb gegen Amiri (63.). Sekunden später rauscht Anton nach Freistoßflanke heran und köpft knapp drüber (64.). Deutschland ist jetzt griffig, Kimmich findet Wirtz am zweiten Pfosten – der kommt noch dran, aber Peacock-Farrell wischt die Kugel spektakulär raus (68.).
Doppelschlag entscheidet: Amiri & Wirtz
Die Phase des Dauerdrucks mündet ins verdiente 2:1: Raum schickt aus dem linken Halbraum eigentlich Beier in den Strafraum, der läuft den Ball durch – aber sein Laufweg lockt Peacock-Farrell aus dem Tor. Hinter Beier steht Nadiem Amiri goldrichtig und schiebt aus elf Metern ins verwaiste Gehäuse ein (69.). Clever, kalt, wichtig.
Nordirland reagiert (70., Charles für Reid), doch Deutschland bleibt auf dem Gas. Wirtz übernimmt einen Freistoß aus gut 22 Metern, halblinks – über die Mauer, mit viel Schnitt, unhaltbar ins Eck (72.). Ein Traumfreistoß. Köln explodiert, die zuvor pfeifenden Stimmen verstummen: 3:1, Momentum endgültig gedreht.
Die Gäste wechseln weitere Frische ein (Saville, Marshall; 76.), Deutschland bringt Goretzka (66.) und spät Tah (82.) für den verwarnten Rüdiger. Ein letzter Wackler, als Goretzka einen langen Standard unterläuft (74.), bleibt folgenlos. Danach präsentiert sich die DFB-Elf kontrolliert, Nordirland wirkt gebrochen. Leweling marschiert rechts mehrfach bis zur Grundlinie (81., 90.), die Hereingaben finden aber zu selten Abnehmer. In der Schlussminute zieht er aus zwölf Metern vorbei (90.). Saville sieht noch Gelb für ein taktisches Festhalten an Wirtz (90.). Vier Minuten Nachspielzeit – ohne Drama. Schluss: 3:1.
Fazit: Arbeitssieg mit brauchbarem Signal
Dieses 3:1 ist kein Glanzstück – aber ein lebenswichtiges Ergebnis. Die Mannschaft zeigte nach dem Pausenpfiff Charakter, profitierte von mutigen Wechseln und von zwei Unterschiedsspielern: Amiri, der mit Gefühl und gutem Raumgefühl die Führung erzwingt, und Wirtz, der mit einem klassischen „Weltklasse“-Standard den Deckel draufmacht. Defensiv bleibt Luft nach oben (Standardverteidigung, Aufbaupräzision), doch das Tempo-Upgrade nach Minute 60 und die bessere Tiefenstaffelung geben Nagelsmann Argumente – und der Mannschaft Rückenwind.
