Das liegt am berühmt-berüchtigten „Electoral College“, einem System, das viele von uns nur aus Filmen kennen und das schon seit Jahrhunderten für Überraschungen sorgt. Wie läuft die Wahl in den USA wirklich ab? Warum zählen einige Bundesstaaten mehr als andere? Und wie kommt es, dass ein Kandidat trotz Millionen von Stimmen am Ende nicht gewinnt? Hier erfahren Sie alles, was Sie über die US-Wahl 2024 wissen müssen!
Was ist das „Electoral College“?
Das US-Wahlsystem basiert nicht auf einer einfachen Mehrheitswahl wie in vielen anderen Ländern, sondern auf einem System namens „Electoral College“. Das bedeutet: Die Wählerinnen und Wähler geben ihre Stimme nicht direkt dem Präsidentschaftskandidaten, sondern wählen sogenannte Wahlleute. Diese Wahlleute – insgesamt 538 – bestimmen dann, wer ins Weiße Haus einzieht. Jeder Bundesstaat entsendet eine bestimmte Anzahl von Wahlleuten, die sich nach der Bevölkerungsgröße des Staates richtet. Kalifornien hat zum Beispiel 54 Wahlleute, während kleine Staaten wie Delaware nur drei haben. Und hier kommt der erste entscheidende Punkt: In fast allen Bundesstaaten gilt das Prinzip „The winner takes all“. Das bedeutet, dass der Kandidat, der in einem Staat auch nur einen winzigen Vorsprung hat, alle Wahlleute dieses Bundesstaates bekommt. Selbst wenn der Unterschied nur ein paar tausend Stimmen beträgt, kann dies den gesamten Wahlausgang beeinflussen. So kam es 2016 dazu, dass Hillary Clinton zwar fast drei Millionen mehr Stimmen als Donald Trump erhielt, Trump aber trotzdem Präsident wurde, weil er die entscheidenden Staaten für sich gewann.
Foto: Von The White House – Official White House Facebook page, Gemeinfrei,
Swing States – Die Schlachtfelder der Wahl
Nicht jeder Staat in den USA ist gleich entscheidend. In einigen Staaten gewinnen traditionell fast immer die Demokraten, in anderen die Republikaner. Doch es gibt eine Handvoll Staaten, die bei jeder Wahl hart umkämpft sind – die sogenannten „Swing States“ oder „Battleground States“. Dazu gehören Pennsylvania, Florida, Ohio und Michigan. In diesen Staaten kann das Wahlergebnis in beide Richtungen kippen, und oft entscheiden hier nur wenige tausend Stimmen über den Ausgang der Wahl. „Wer die Swing States gewinnt, gewinnt die Wahl“, sagen Experten immer wieder. Deshalb fließen Milliarden in Wahlkampfveranstaltungen, TV-Spots und soziale Medienkampagnen, um die Wählerinnen und Wähler in diesen Staaten zu überzeugen. Diese Staaten sind also der Schlüssel zur Macht – und genau deshalb wird hier der härteste Wahlkampf geführt.
Bild: Chessrat – File:Electoral College 2020.svg, CC0, Link
Warum kann die Auszählung ewig dauern?
Während wir in Deutschland das Wahlergebnis meistens schon am Abend der Wahl kennen, kann es in den USA deutlich länger dauern. In knappen Wahlen wie 2020 kann die Auszählung Tage oder sogar Wochen in Anspruch nehmen. Das liegt unter anderem daran, dass in den entscheidenden Swing States jede Stimme mehrfach überprüft wird. „Es kann schon mal länger dauern,“ warnte ein Wahlbeobachter 2020, als die USA tagelang auf das Ergebnis warteten. Besonders die Briefwahlstimmen, die in den letzten Jahren stark zugenommen haben, sorgen für Verzögerungen, da sie oft erst nach dem Wahltag ausgezählt werden. Und in Staaten, in denen es besonders knapp ist, können wenige hundert Stimmen den Unterschied machen – das bedeutet, dass oft bis auf die letzte Stimme genau hingeschaut wird.
Foto: Washington State Archives – Electoral-College_DEC2020_0998, Gemeinfrei, Link
Die Rolle der Parteien – Demokraten und Republikaner dominieren
In den USA gibt es faktisch nur zwei große politische Parteien, die bei den Präsidentschaftswahlen eine Rolle spielen: die Demokraten und die Republikaner. Zwar existieren auch kleinere Parteien wie die Libertarian Party oder die Green Party, doch diese hatten bisher keine realistische Chance, das Präsidentenamt zu gewinnen. Die Vorwahlen, die Monate vor der eigentlichen Wahl stattfinden, dienen dazu, innerhalb der Parteien den Kandidaten zu bestimmen. In allen 50 Bundesstaaten treten verschiedene Bewerber gegeneinander an, und wer am meisten Stimmen und Unterstützung innerhalb der Partei bekommt, wird schließlich zum offiziellen Kandidaten gekürt. Diese Vorwahlen sind eine Art Wahlkampf im Wahlkampf – der Kandidat muss sich nicht nur gegen die Konkurrenz aus der anderen Partei durchsetzen, sondern zunächst einmal seine eigenen Parteikollegen besiegen.
Das historische Erbe – Ein Wahlsystem aus dem 18. Jahrhundert
Das US-Wahlsystem stammt aus einer Zeit, in der das Land gerade erst gegründet wurde. Damals war die Kommunikation viel langsamer, Zeitungen waren nicht überall verbreitet, und die Menschen wussten oft wenig über das politische Geschehen. Deshalb entschieden die Gründungsväter, dass nicht direkt der Präsident gewählt wird, sondern über Wahlleute – das sogenannte „Electoral College“. Diese Wahlmänner und -frauen sollten das Wissen und die Kompetenz haben, die beste Entscheidung für das Land zu treffen. Über die Jahre hat sich das System zwar weiterentwickelt, doch im Kern bleibt es bis heute bestehen. Ein Relikt aus dem 18. Jahrhundert, das sich in der modernen Welt immer wieder als umstritten erweist.
Warum wird nicht einfach alles geändert?
Die Frage liegt auf der Hand: Warum behalten die USA ein so kompliziertes System bei, das oft zu unfairen Ergebnissen führt? Die Antwort ist komplex. Viele Bundesstaaten profitieren von dem System, weil es ihnen mehr Einfluss im Wahlprozess gibt. Staaten mit einer kleinen Bevölkerung wie Wyoming oder Alaska hätten ohne das „Electoral College“ kaum Gewicht bei der Wahl. Und so kommt es, dass alle Reformversuche, das System zu ändern, bisher gescheitert sind. Zwar haben einige Staaten wie Maine und Nebraska das „The winner takes all“-Prinzip abgeschafft und verteilen ihre Wahlleute proportional, doch eine landesweite Reform scheint in weiter Ferne.
Historisches: George Washington und die beeindruckendsten Wahlsiege der US-Geschichte
George Washington bleibt bis heute der einzige Präsident der USA, der bei zwei Wahlen (1789 und 1792) 100 % der Wahlmännerstimmen auf sich vereinen konnte – ein Rekord, den niemand je wieder erreichte. Auch wenn spätere Präsidenten beachtliche Erfolge erzielten, wie James Monroe 1820 mit 99,57 % der Wahlmännerstimmen oder Franklin D. Roosevelt 1936 mit 98,49 %, blieb Washingtons Triumph unerreicht. Ronald Reagan schaffte 1984 die bislang höchste Anzahl an Wahlmännerstimmen (525), während Abraham Lincoln 1864 mit 90,99 % der Stimmen gewählt wurde, allerdings nur in den Nordstaaten, da im kriegsgeplagten Süden nicht abgestimmt wurde.
Doch nicht immer verliefen die Wahlen so eindeutig. 1824 erreichte keiner der Kandidaten eine Mehrheit der Wahlmännerstimmen, und das Repräsentantenhaus wählte schließlich John Quincy Adams zum Präsidenten – bis heute der einzige Präsident, der ohne Mehrheit ins Amt kam. Ebenfalls außergewöhnlich knapp war die Wahl von 1876, bei der Rutherford B. Hayes mit nur einer einzigen Wahlmännerstimme Vorsprung Präsident wurde. Auch in jüngerer Geschichte, wie im Jahr 2000, zeigte sich die Zerbrechlichkeit des Systems, als George W. Bush lediglich mit 271 zu 266 Wahlmännerstimmen das Rennen für sich entschied – eine der knappsten Wahlen in der US-Geschichte.
Bild: Gemeinfrei
Fazit: Die US-Wahl bleibt ein Spannungsfeld
Die Präsidentschaftswahl in den USA ist immer ein Spektakel – und das Wahlsystem sorgt regelmäßig für Spannung, Überraschungen und Diskussionen. Wer am 5. November 2024 als Sieger hervorgeht – ob Donald Trump oder Kamala Harris – wird nicht allein durch die Wählerstimmen entschieden, sondern durch ein System, das aus einer anderen Zeit stammt und dennoch die Zukunft der Weltpolitik beeinflusst. Eines ist sicher: Es bleibt spannend bis zum Schluss – und vielleicht dauert es wieder Tage, bis wir das endgültige Ergebnis erfahren!