Der Vorfall: Eine klaffende Wunde und ein sofortiges Badeverbot
Es geschah am Dienstagmittag gegen 11:30 Uhr auf Höhe des Balneario 6. Eine 85-jährige italienische Touristin kam mit einer stark blutenden, klaffenden Wunde an der Wade aus dem Meer. Das Bild der Verletzung, auf dem Unterhautgewebe zu erkennen ist, sorgte für sofortiges Handeln. Die Rettungsschwimmer zögerten keine Sekunde, holten alle Badegäste aus dem Wasser und sperrten einen weiten Strandabschnitt zwischen den Balnearios 1 und 10. Mit Jetskis suchten sie das Wasser ab – zunächst vergeblich. Die verletzte Frau wurde umgehend mit einem Rettungswagen in eine Privatklinik gebracht.
Erfahrung & Expertise: Experten bezweifeln den Hai-Angriff
Während die ersten Meldungen von einem Hai-Angriff sprachen, meldeten sich schnell Fachleute zu Wort, die diese Theorie infrage stellen. Die Stiftung des Palma Aquariums, eine anerkannte Autorität im Meeresschutz, äußerte erhebliche Zweifel.
„Wir versuchen nun herauszufinden, was die Frau gebissen haben könnte. Es sieht aber nicht nach einem Hai aus“, erklärte Debora Morrison, Leiterin der Stiftung, gegenüber der „Mallorca Zeitung„.
Diese Einschätzung wird von weiteren Experten geteilt. Eine von der „Mallorca Zeitung“ befragte deutsche Ärztin konnte auf dem Foto der Wunde keine typischen Bissspuren erkennen, wie sie ein Hai hinterlassen würde. Die charakteristischen Zahnreihen eines Hais erzeugen ein anderes Verletzungsmuster.
Morrison fügte hinzu: „Wir haben gehört, dass vor ein paar Tagen ein Blauhai gesichtet wurde. Für diese Information gab es aber keine Beweise.“ Bislang sind auf Mallorca keine bestätigten Haiattacken auf Menschen bekannt. Zwar tauchen gelegentlich Blauhaie in Küstennähe auf, dabei handelt es sich aber meist um verirrte, kranke oder alte Tiere, die keine Bedrohung darstellen.
Vertrauenswürdigkeit: Wer war der wahre Täter?
Wenn es kein Hai war, was hat die Urlauberin dann so schwer verletzt? Die Experten haben andere Meeresbewohner im Verdacht. In den Fokus rücken vor allem zwei Arten, die im Mittelmeer leben und für gelegentliche, wenn auch meist harmlose Bisse bekannt sind:
- Der Drückerfisch: Bekannt für sein territoriales Verhalten, besonders während der Brutzeit.
- Der Blaufisch (auch Blaubarsch genannt): Ein Raubfisch, der ebenfalls in Küstennähe jagen kann.
In der Vergangenheit haben an Mallorcas Stränden tatsächlich kleinere Fische für Verletzungen gesorgt, jedoch selten in diesem Ausmaß.
Entwarnung, aber mit Vorsicht
Am Nachmittag wurde das Badeverbot an der Playa de Palma wieder aufgehoben. Die roten Flaggen wichen den gelben, was bedeutet: Baden ist wieder erlaubt, aber Vorsicht ist geboten und Schwimmer sollten in Küstennähe bleiben. Das Rätsel um die genaue Ursache der Verletzung bleibt vorerst ungelöst, doch der anfängliche Hai-Schock hat sich in eine differenzierte Untersuchung verwandelt, die zeigt, wie wichtig faktenbasierte Analysen von Experten sind.