Rekordzahl an Vertriebenen im Libanon
Seit Beginn der jüngsten Konflikte zwischen der israelischen Armee und der vom Iran unterstützten Hisbollah-Miliz wurden nach Angaben der Vereinten Nationen bereits über 210.000 Menschen aus ihren Heimatorten vertrieben. Allein in der vergangenen Woche flohen etwa 120.000 Menschen aus ihren Wohnungen. Diese Zahlen übertreffen die Vertriebenen des letzten Krieges 2006 deutlich und könnten laut UNO noch weiter steigen. Die größte Zahl an Vertriebenen in der Geschichte des Libanon stellt eine immense Belastung für das Land dar, das bereits mit tiefgreifenden politischen und wirtschaftlichen Herausforderungen kämpft.
Leben in Angst: Menschen suchen Schutz im Freien
Viele Libanesen sind gezwungen, in Parks, auf Straßen oder an Stränden Zuflucht zu suchen, aus Angst vor weiteren Angriffen. Besonders im Süden, Osten und im Raum der Hauptstadt Beirut herrscht große Unsicherheit. Etwa 50.000 Syrer und Libanesen sind bereits ins benachbarte Bürgerkriegsland Syrien geflohen. Die unsichere Lage führt dazu, dass grundlegende Bedürfnisse wie sicherer Wohnraum und Zugang zu sauberem Wasser zur täglichen Herausforderung werden. Die humanitäre Krise verschärft sich weiter, während die Bevölkerung verzweifelt nach sicheren Orten sucht.
Wirtschaftliche und politische Krise verschärft das Leid
Der Libanon befindet sich bereits seit Jahren in einer tiefen wirtschaftlichen und politischen Krise. Die Währung ist im freien Fall, und die Schuldenlast belastet das Land schwer. Die Explosion im Hafen von Beirut im Jahr 2020 hat die Situation weiter verschlimmert und führte zu massiven Protesten gegen die Regierung, die schließlich zurücktrat. Der aktuelle Konflikt mit Israel kommt zu einem Zeitpunkt, an dem der Libanon ohne funktionierende Staatsführung und unter enormem wirtschaftlichen Druck steht. Das Proporzsystem zwischen den verschiedenen religiösen Gruppen hat zu einer politischen Lähmung geführt, die effektive Hilfsmaßnahmen zusätzlich behindert.
Die Rolle der Hisbollah im Libanon
Die Hisbollah agiert im Libanon wie ein eigener Staat und kümmert sich um Infrastruktur, Gesundheitseinrichtungen, Schulen und Jugendprogramme. Sie ist eine einflussreiche politische Partei und stellt Minister, fungiert jedoch de facto als Staat im Staat. Trotz ihrer umfassenden Kontrolle über bestimmte Gebiete unterstützen laut Umfragen nur etwa 30 Prozent der libanesischen Bevölkerung die Hisbollah, während die Mehrheit sie ablehnt. Die Tötung des Hisbollah-Chefs Hassan Nasrallah durch Israel hat die Spannungen weiter verschärft und die Gefahr innerer Konflikte im Libanon erhöht.
Internationale Hilfe und Unterstützung notwendig
Internationale Organisationen wie UNICEF sind gefordert, um den betroffenen Menschen dringend benötigte Hilfe zu leisten. UNICEF hat bereits Tausende von Flaschen mit sauberem Trinkwasser, Hygiene-Kits und andere lebenswichtige Güter bereitgestellt. Zudem werden mobile Gesundheitseinheiten eingesetzt, um medizinische Versorgung sicherzustellen. Trotz dieser Bemühungen fehlen noch erhebliche finanzielle Mittel, um die umfassenden Bedürfnisse der Vertriebenen zu decken. UNICEF fordert dringend zusätzliche 39 Millionen US-Dollar, um den Libanon in dieser schweren Zeit zu stabilisieren und das Leid der Bevölkerung zu lindern.
Kinder in besonderer Gefahr
Die Intensität des aktuellen Konflikts hat bereits mehr Kinderleben gefordert als während des Krieges von 2006. Laut dem libanesischen Gesundheitsministerium wurden in den letzten zwei Tagen 50 Kinder getötet, wobei viele weitere unter den Trümmern vermutet werden. UNICEF-Vertreter Edouard Beigbeder betont, dass die Angriffe die Sicherheit und das Wohlbefinden von Hunderttausenden Kindern zerstören. Psychosoziale Unterstützung, Bildung und Freizeitaktivitäten in den Unterkünften sind dringend notwendig, um die traumatisierten Kinder zu unterstützen.