Eine Analyse des Frankfurter Datenunternehmens „Right Based on Science“, die auch von der Europäischen Bankenaufsicht genutzt wird, deutet darauf hin, dass die deutsche Chemieindustrie ihr Versprechen zur „grünen Chemie“ möglicherweise nicht einhalten wird. Für den „Spiegel“ wurden die veröffentlichten Emissionswerte von fünf großen deutschen Chemiekonzernen ausgewertet. Die Berechnungen zeigen, inwieweit jedes dieser Unternehmen über oder unter dem 1,5-Grad-Ziel des Pariser Abkommens liegt, gemessen an seiner Wirtschaftsleistung und seiner spezifischen Branche.
Die Abweichung wurde modellhaft auf die globale Wirtschaft übertragen, um abzuschätzen, wie stark sich die Erde bis 2100 erwärmen würde, wenn branchenübergreifend alle Unternehmen ihren Klimapfad in ähnlicher Weise verfehlen würden. Das Resultat ist deutlich: Würden alle Unternehmen die Emissionsmengen von vier großen deutschen Industrieunternehmen ausstoßen, könnten die Temperaturen um 4,5 bis 6,0 Grad Celsius ansteigen.
Die Chemieindustrie hatte sich eigentlich vorgenommen, verstärkt auf „grüne Chemie“ zu setzen, durch den Einsatz erneuerbarer Energien und klimafreundlicher Produktionsverfahren. Dies sollte dazu beitragen, Kunden von deutschen Chemieprodukten gegenüber der Konkurrenz, beispielsweise aus China, zu überzeugen.
Hannah Helmke, Chefin von Right Based on Science, vermutet, dass die fehlenden Investitionen in die Emissionsreduktion auf die Hoffnung der Chemiekonzerne zurückzuführen sind, dass die Regulierungen gelockert werden. Helmke kann die Erwägungen der Konzerne, ins Ausland abzuwandern, nachvollziehen. Aus Klimasicht sei es nicht unbedingt nachteilig, wenn Unternehmen in Länder umziehen, die günstigere und saubere Energiequellen bieten. Sie verweist darauf, dass China in jüngster Zeit deutlich stärker in erneuerbare Energien investiert hat als Deutschland. Eine Abwanderung würde demnach nicht zwangsläufig das reine Verlegen von CO2-Emissionen bedeuten – ein Phänomen, bekannt als „Carbon Leakage“. Vielmehr könnten die Unternehmen in China potenziell leichter Zugang zu grüner Energie erhalten und somit ihre Emissionen reduzieren.
(Mit Material der dts Nachrichtenagentur erstellt)




