Erster Schritt: Die Karte wird verteilt
Das Pilotprojekt startet in Eggenstein-Leopoldshafen, wo am Montag die ersten Karten an volljährige Bewohnerinnen und Bewohner ausgegeben wurden. Laut Lorek soll der Rollout in weiteren Erstaufnahmeeinrichtungen rasch folgen. Ab Januar 2025 sind auch die unteren Aufnahmebehörden, wie Landratsämter und Stadtkreise, an der Reihe.
„Mit der Bezahlkarte modernisieren wir die Gewährung von Leistungen. Keine Bargeldbestände mehr, kein Risiko – und eine sichere Lösung für alle Beteiligten“, so Lorek. Besonders betont der Staatssekretär das Ziel: Schleuserkriminalität bekämpfen und sogenannte Pull-Faktoren für irreguläre Migration reduzieren.
Was die Bezahlkarte alles kann – und was nicht
Die neue Karte, die als Socialcard eingeführt wird, ähnelt einer klassischen Visa-Debitkarte. Sie erlaubt Zahlungen in Geschäften und Online-Shops, die Visa akzeptieren. Bargeld gibt es auf Wunsch an der Kasse oder am Automaten – allerdings mit Einschränkungen: Maximal 50 Euro pro Monat können abgehoben werden, in Sonderfällen auch mehr.
Doch es gibt klare Grenzen: Geldtransfers ins Ausland, zum Beispiel zu Verwandten oder über Finanzdienstleister, sind ausgeschlossen. Auch Krypto-Dienste und Plattformen wie Western Union stehen auf einer Negativliste. Ziel ist es, Missbrauch vorzubeugen und die Leistungen ausschließlich für die Existenzsicherung vor Ort einzusetzen.
Lorek: „Gezielte Kontrolle schützt vor Missbrauch“
Staatssekretär Lorek sieht in der Einführung der Karte einen Schritt in die richtige Richtung. „Durch eine gezielte Steuerung und Kontrolle der Gelder tragen wir aktiv zur Bekämpfung von Schleuserkriminalität bei. Außerdem entlasten wir die Kommunen erheblich und machen die Verwaltung effizienter“, so Lorek. Dank der dichten Infrastruktur von Akzeptanzstellen sei eine nahezu bargeldlose Versorgung gewährleistet.
Auch für Mietzahlungen und andere notwendige Überweisungen soll die Karte genutzt werden können. Allerdings werden diese IBANs von den Behörden zuvor freigegeben. Private Konten, etwa von Bekannten oder Familienangehörigen, sind hingegen ausgeschlossen.
Kritik: „Symbolpolitik auf dem Rücken der Geflüchteten“
Doch nicht jeder teilt die Euphorie. Der Flüchtlingsrat Baden-Württemberg bezeichnet die Bezahlkarte als „Instrument der Abschreckungspolitik“. Sprecherin Anja Bartel: „Es gibt keinerlei empirische Grundlage für die Annahme, dass Geflüchtete in großem Stil Leistungen ins Ausland überweisen.“ Sie wirft der Landesregierung vor, mit der Karte populistische Vorurteile zu schüren.
Ein weiterer Kritikpunkt: Die strengen Regelungen könnten den Alltag der Betroffenen erschweren. „Viele Menschen sind auf Bargeld angewiesen, etwa für Flohmärkte oder Tafelläden. Die Einschränkungen sind nicht praktikabel und zementieren die Diskriminierung“, so Bartel weiter. Auch das Argument der Schleuserbekämpfung sei aus ihrer Sicht wenig stichhaltig.
Positives Beispiel Ortenaukreis: Geht es auch anders?
Ein Blick in den Ortenaukreis zeigt, dass die Bezahlkarte auch anders eingesetzt werden kann. Dort wird seit Januar 2024 eine ähnliche Karte genutzt – jedoch ohne Beschränkungen bei Bargeldabhebungen. Laut dem Landratsamt habe sich das Modell bewährt: „Die Erfahrungen sind durchweg positiv. Verwaltungsvorgänge wurden vereinfacht, und es gibt keine Hinweise auf Missbrauch.“
Diese Erfolgsgeschichte könnte ein Modell für die landesweite Einführung sein. Ob Baden-Württemberg jedoch ähnliche Freiheiten gewährt, bleibt unklar.
Fazit: Moderner Schritt oder Symbolpolitik?
Die Bezahlkarte für Geflüchtete soll Verwaltungskosten senken, Sicherheit erhöhen und Missbrauch verhindern. Doch zwischen den ambitionierten Zielen und der Realität klaffen noch Lücken. Befürworter wie Lorek sehen die Karte als Schritt in eine digitalisierte Zukunft, Kritiker werfen der Politik Diskriminierung und Symbolpolitik vor. Klar ist: Die Einführung sorgt für kontroverse Diskussionen – und wird die Migrationsdebatte weiter anheizen.