Verordnungen erstmals über dem Niveau vor der Pandemie

Antibiotikaverbrauch in Deutschland steigt wieder – Experten warnen vor Resistenzen!

Antibiotikaverbrauch in Deutschland steigt wieder – Experten warnen vor Resistenzen!
Bild: insidebw.de

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Die Zahl der Antibiotikaverordnungen in Deutschland ist im Jahr 2023 erstmals wieder über das Niveau vor der Pandemie gestiegen.

Laut einer aktuellen Analyse des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO) wurden insgesamt 36,1 Millionen Packungen im Wert von 792,1 Millionen Euro zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) abgerechnet. Das bedeutet einen Anstieg um 18,4 Prozent im Vergleich zu 2022 – und ein Plus von 6,1 Prozent im Vergleich zum Jahr 2019. Besonders brisant: Auch der Einsatz von Reserveantibiotika nimmt wieder zu.

Balkendiagramm mit blauer Farbgebung, das die Anzahl der Verordnungen von Antibiotika (in Millionen) im ambulanten GKV-Arzneimittelmarkt von 2013 bis 2022 zeigt. Zusätzlich wird die Entwicklung des Anteils der Reserveantibiotika in Prozent durch eine schwarze Linie dargestellt. Die Anzahl der Antibiotikaverordnungen nimmt im dargestellten Zeitraum von 43 Millionen im Jahr 2013 auf 26 Millionen im Jahr 2020 ab, steigt danach leicht an und erreicht 31 Millionen im Jahr 2022. Der Anteil der Reserveantibiotika lag 2013 bei 57 Prozent und sank kontinuierlich auf 42 Prozent im Jahr 2022. Quelle: WIdO 2024.

Reserveantibiotika häufiger verordnet

Während der Anteil der Reserveantibiotika an allen Verordnungen mit 43,4 Prozent relativ stabil blieb, stiegen die absoluten Zahlen deutlich an. Im Jahr 2023 wurden 15,7 Millionen Verordnungen für diese speziellen Wirkstoffe ausgestellt – ein Anstieg von 21 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Experten warnen vor den möglichen Folgen:

Helmut Schröder, Geschäftsführer des WIdO, betont: „Der erneute Verordnungsanstieg von Antibiotika der Reserve ist besorgniserregend, denn er könnte die Gefahr von Resistenzen weiter verschärfen, was gerade im Falle von lebensbedrohlichen Erkrankungen dramatische Auswirkungen hätte.“

Reserveantibiotika gelten als letzte Option, wenn herkömmliche Mittel nicht mehr wirken. Ihr zurückhaltender Einsatz sei entscheidend, um Resistenzen zu verhindern. „Reserveantibiotika sind eine wertvolle Notfalloption – doch die abermals steigenden Verordnungszahlen deuten darauf hin, dass ihr zurückhaltender Einsatz noch nicht konsequent genug gelingt“, so Schröder weiter.

Regionale Unterschiede in der Verordnung

Eine Analyse zeigt deutliche Unterschiede zwischen den Bundesländern:

  • Saarland: 539 Verordnungen je 1.000 GKV-Versicherte – Höchstwert in Deutschland
  • Hamburg: 328 Verordnungen je 1.000 GKV-Versicherte – niedrigster Wert
  • Bremen: Geringster Anteil an Reserveantibiotika (33,3 Prozent)
  • Mecklenburg-Vorpommern: Höchster Anteil an Reserveantibiotika (53,4 Prozent)

„Diese teils drastischen regionalen Unterschiede sollten Anlass sein, regionale Verschreibungsgewohnheiten kritisch zu hinterfragen“, so Schröder.

Antibiotikaeinsatz in der Tierhaltung sinkt weiter

Im Gegensatz zur Humanmedizin setzt sich der Abwärtstrend in der Tierhaltung fort. 2023 wurden in Deutschland 529 Tonnen Antibiotika für Tiere abgegeben – ein Rückgang von 2,1 Prozent im Vergleich zum Vorjahr und der niedrigste Wert seit Beginn der Erfassung 2011. In den letzten zehn Jahren sank die verabreichte Menge um 57,3 Prozent.

Neue Antibiotika bleiben Mangelware

Ein weiteres Problem: Die Entwicklung neuer Antibiotika stockt. Im Jahr 2023 wurde kein neuer antibiotischer Wirkstoff auf den Markt gebracht.

„Es bleibt abzuwarten, ob finanzielle Anreize zur Entwicklung neuer antibiotischer Arzneimittel beitragen“, so Schröder. Er verweist auf die hohen Todeszahlen durch Antibiotikaresistenzen: Weltweit sterben laut dem Institut für Health Metrics and Evaluation jährlich rund 1,3 Millionen Menschen an den Folgen, in Deutschland sind es bis zu 9.700 Todesfälle pro Jahr.

Die steigenden Verordnungen und die stagnierende Entwicklung neuer Wirkstoffe zeigen: Der Handlungsbedarf bleibt groß.

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