Ein Sommer voller Nager-Action
Ob an Donau, Rhein, Neckar, Tauber, am Federsee oder sogar am Bodensee – die Chancen stehen gut, eine ganze Biberfamilie zu entdecken. Die größten Nagetiere Europas sind gerade in einer entscheidenden Phase: Die Jungtiere, die im Mai oder Juni geboren wurden, verlassen zunehmend den Schutz der Burg und erkunden ihre Umgebung.
„Biber leben im Familienverband – dabei ist Teamwork angesagt“, erklärt NABU-Artenschutzreferentin Alexandra Ickes. „Bis die Jungtiere im zweiten Jahr abwandern, müssen sie viel lernen. Die Biber-Eltern kümmern sich ein Leben lang gemeinsam um den Nachwuchs und auch die älteren Geschwister helfen mit.“
Architekten ohne Baugenehmigung – und kostenlos obendrein
Kaum ein Tier prägt seine Umwelt so stark wie der Biber. Durch das Fällen von Bäumen und den Bau von Dämmen verändert er den Lauf von Flüssen, staut Wasser auf und schafft damit völlig neue Lebensräume.
Diese neuen Feuchtgebiete sind wahre Hotspots für Artenvielfalt: Amphibien finden Laichplätze, Libellen und Wasservögel neue Jagdreviere, Fische profitieren von ruhigeren Zonen. Selbst Fledermäuse, Reptilien und seltene Pflanzen profitieren von den Veränderungen.
„Wo man ihn lässt, schafft der Biber einen Hotspot der Biodiversität, der auch noch Wasser in der Fläche hält. In Zeiten von Artensterben, Hitzesommern und Starkregen ist das ein fast unbezahlbarer, kostenfreier Dienst“, betont Ickes.
Sommerkurs für junge Biber
Nach der Geburt werden die Jungen einige Wochen lang gesäugt. Danach steht schon feste Nahrung auf dem Speiseplan: weiche Wasserpflanzen, Kräuter und Blätter. Im Sommer beginnt für die Jungtiere die große Erkundungstour – unter ständiger Aufsicht der Eltern.
Jetzt im August sieht man sie mit etwas Glück beim Schwimmen, Fressen oder Spielen im Wasser. Biber sind ausgezeichnete Schwimmer, die meisten ihrer Bewegungen finden jedoch tauchend statt – so bleiben sie vor Fressfeinden geschützt.
Vegetarier mit Holzfäller-Ambitionen
Biber sind streng pflanzenfressend. Neben Wasserpflanzen und Gräsern gehören junge Weiden und Pappeln zu ihren Lieblingsspeisen. Dabei gilt: Der Tisch muss möglichst nah am Wasser stehen. „So fleißig Biber Dämme und Burgen bauen, bei der Verpflegung sind sie eher bequem“, so Ickes.
Nur ungern entfernen sie sich mehr als 20 Meter vom Ufer, denn an Land sind sie langsam und verletzlich. Feldfrüchte stehen deshalb nur dann auf dem Speiseplan, wenn die Äcker direkt am Wasser liegen.
Renovieren, Reparieren, Revier pflegen
Neben der Aufzucht der Jungen steht im Spätsommer auch Hausarbeit an: Dämme werden verstärkt, Burgen ausgebessert und neue Nahrungsflächen erschlossen. Manchmal bedeutet das auch, gezielt neue Bereiche zu fluten, um die Reichweite im Wasser zu vergrößern.
Biber-Hotspot Federsee
Wer Biber in Baden-Württemberg hautnah erleben will, sollte den Federsee im Landkreis Biberach besuchen. Dort gibt es rund 25 Biberreviere, eines davon direkt am Federseesteg.
„Etwas Glück braucht man schon, aber die Wahrscheinlichkeit, einen Biber beim Abendessen beobachten zu können, ist sehr groß. Schmatzen hören kann man sie auch – Biber machen beim Kauen laute Geräusche“, erzählt Katrin Fritzsch, Leiterin des NABU-Naturschutzzentrums Federsee und Biberberaterin.
Das Zentrum bietet abendliche Biber-Erlebnisführungen an, bei denen man die Tiere in ihrem natürlichen Lebensraum sehen kann. Eine Dauerausstellung erklärt die ökologischen Auswirkungen ihrer Bauprojekte. Besucher können sogar ausprobieren, ob sie das Gewicht eines erwachsenen Bibers – bis zu 30 Kilo – heben können.
Biber melden – und der Forschung helfen
Der NABU bittet Naturfreunde, jede Biber-Sichtung zu melden – am besten über die Meldeplattform „Biber & Co“ auf naturgucker.de. Dort können auch Biberspuren wie angenagte Bäume eingetragen werden. Jede Meldung hilft, die Verbreitung und das Verhalten der Tiere besser zu verstehen.
Comeback nach 150 Jahren Abwesenheit
Der Biber war in Baden-Württemberg lange verschwunden. Der letzte wurde 1846 erlegt, erst Ende der 1980er Jahre kehrte er zurück – zunächst entlang großer Flüsse. Heute leben laut Umweltministerium rund 11.500 Tiere in 3.500 Revieren (Stand 2024).
Trotz Rückkehr sind viele seiner einstigen Lebensräume verschwunden: Flüsse wurden begradigt, Auen trockengelegt, Ufer bebaut. Umso wichtiger ist der Schutz der verbliebenen Gebiete. Konflikte zwischen Mensch und Biber sind selten, doch wenn sie auftreten, stehen ehrenamtliche Biberberater bereit, um Lösungen zu finden.
Fazit: Mehr als nur ein Nagetier
Der Biber ist nicht nur ein faszinierender Baumeister, sondern auch ein unverzichtbarer Helfer für Baden-Württembergs Natur. Sein Wirken zeigt, wie wichtig es ist, Lebensräume zuzulassen und natürlichen Prozessen Raum zu geben – für die Artenvielfalt, für den Wasserhaushalt und für das Naturerlebnis der Menschen.